In einer Zeit, in der dieses Land noch von einem undurchdringlichen Urwald bedeckt war, kam ein Volk hierher, das man nur schwer mit den heutigen Bewohnern vergleichen kann. Sie ähnelten von ihrer Größe fünfjährigen Kindern, ihr Gang war gebeugt, sie hatten spitze Ohren und Talente, die heute längst ausgestorben sind. Keiner weiß, woher sie kamen – mancher sagt, dass sie schon immer dagewesen sind. Doch obwohl sie immer mit uns lebten, finden sich heute keine Spuren mehr von ihnen. Heute sind sie verschwunden. Mit ihnen gingen ihre Märchen. Kaum jemand erinnert sich noch an sie. Vor Generationen erzählten die Alten ihren Kinder und Enkeln von dem magischen Volk. Heute sind ihre Sagen und Legenden selbst den Ältesten längst verloren. Nur noch wenig ist erhalten. Will man ihnen ihre Geheimnisse entreißen, muss man die letzten ihrer Art finden. Doch wie findet man Wesen, die nicht mehr gefunden werden wollen? Meine Suche wurde mit den Jahren immer verzweifelter. Längst hatte ich die Hoffnung aufgegeben. An den Plätzen die sonst von ihnen bewohnt waren, sind sie nicht mehr zu finden. Die alten Häuser stehen leer, wenn sie nicht schon lange irgendwelchen Einkaufpalästen oder Straßen weichen mussten. Es schien so, als wären sie ausgestorben, zusammen mit der Erinnerung an das kleine Volk, das der Menschheit einst so wohl gesonnen war. Hatte man sie versehentlich verscheucht oder wollte sie nicht mehr mit uns zusammenleben? Wurden sie vielleicht durch die Umweltgifte vertrieben, die wir heute in ihrer Natur finden? Es wird häufig davon geschrieben, dass kleine Quälgeister am besten durch das Niederbrennen ihrer Behausungen ausgetrieben werden können. Hat man sie vielleicht in ihren Häusern verbrannt? Oder verschwanden sie einfach, als man ihrer nicht mehr gedachte und keine Teller und Tassen mehr für sie vor die Türen der Häuser stellte? Im Internet gibt es keine Spuren oder Antworten. Selbst in Büchereien findet man keine Bücher über sie. Es scheint, als wären alle Gedichte und Geschichten nahezu vollständig ausradiert worden – als hätte jemand große Energie dazu gebraucht, ihre Spuren auszulöschen und mit den Spuren sämtliche Kobolde. War das vielleicht der Alte Große Knochenlose, den die Wesen so fürchteten? Hat er sie in ihre Verstecke getrieben? Hat er sie vielleicht doch letztlich eingeholt und vernichtet? Nachts lag ich wach und grübelt darüber, wie ich ihre Rätsel lösen könnte. Ich wartete an einsamen Orten, übernachtete an alten Kreuzungen, doch die Spitzohren ließen sich nicht blicken. Nach zwanzig Jahren Suche fand ich durch einen dummen Zufall den alten Kerzenleuchter auf einem Antiquitäten-Flohmarkt. Das Ding übte eine magische Anziehung auf mich aus. Es war, als hätte mein innerer Magnet einen Gegenpol gefunden. Auf der Unterseite des hässlichen Dings, welches zum Spottpreis angeboten wurde, fand ich die Spuren, die ich schon so lange suchte. In meiner Kindheit hatten mich die alten Geschichten über den Kobold von Wittringen, von dem mir meine Uroma erzählte, stundenlang gefesselt und hatten mich bis in meine Träume verfolgt. Als sie starb, wollte niemand mehr von ihren Geschichten gewusst haben. Nur ich erinnerte mich noch an sie. Auch den Kerzenleuchter, den sie so oft beschrieb, blieb nur mir im Gedächtnis. Wie überrascht war ich, dass ich das alte Ding zwischen altem Gerümpel fand und als ich seine Unterseite untersuchte, konnte ich die Spuren erkennen, die ich so lange gesucht hatte. Der Schlüssel zum Schatz lag in meiner Hand. In der Nacht sprach ich den alten Zauberspruch bei Kerzenschein, wie es mir meine Uroma so eindringlich beibrachte. Tatsächlich kam Drak noch in der gleichen Nacht zu mir. Der König der Kobolde erzählte mir in den folgenden Nächten seine Geschichte, die ich hier, so gut ich mich an sie erinnere, wiedergeben will. Es ist zwar nur ein kläglicher Versuch, aber vielleicht bringen diese Geschichten die Erinnerungen und damit auch ihre Bewohner zurück in unsere Welt. Vielleicht gelingt es mir ja dadurch, die Magie endlich wieder zurückzubringen, denn gerade sie fehlt uns in unserer modernen Welt am Meisten. 

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