Wie Drak an seinen Gesellen kam, erzählt eine andere Geschichte. Was er allerdings mit ihm erlebte, dass soll an dieser Stelle erzählt werden. Der Junge, der im weniger zartem Alter von 14 Jahren zu Drak geschickt wurde, hieß Friedhold. Er war im Gegensatz zu seinem Namen ein Tunichtgut und Unruhestifter, so wie es bei Namen oft der Fall ist. Er hatte nur Dummheiten im Sinn, wenn er sich überhaupt regte. Drak hatte seine liebe Not mit diesem Jungen. Ihm fiel beim besten Willen nichts ein, was er ihn hätte machen lassen können. Die Kobolde besitzen keine Eigenschaften, die sie als gute Vorgesetzte qualifizieren würden. Ihr Führungsstil ist eher zufällig als gut durchdacht. Für das fehlende Mitgefühl und Einfühlungsvermögen entspringt in ihrem Geist ein ausgewachsenes Ego, sowie eine Faulheit, die seinesgleichen sucht. Da Drak selbst keiner Arbeit nachging, fiel es ihm selbst schwer, einfache Dinge zu delegieren. Friedhold unterdessen liebte seine Arbeit, die meistens aus Rumsitzen bestand, bis Drak endlich eine Aufgabe eingefallen war, die er machen konnte. Hätte er sich den Job selbst ausgesucht, so hätte er wahrscheinlich diese Karriere für sich auserkoren. Eines Morgens trat Drak an das Bett von Friedhold, klopfte auf seine Füße und sagte: “Hast Du nichts zu tun?” “Soweit ich weiß, habe ich heute meinen freien Tag.” “War das nicht gestern?” “Es ist ein verlängertes Wochenende, an dem ich nie arbeiten muss.” “Wir haben Donnerstag.” “Es ist ein sehr langes Wochenende.” Der Kobold massierte seine Schläfe, die immer zu pochen anfing, wenn er sich mit dem Jungen unterhielt. Er blickte sich in seiner Behausung um und in ihm wuchs der Zorn. “Wir haben bald nichts mehr zu essen.” “Bald wird wieder jemand kommen, der sich einen Wunsch erfüllen lassen will. Der bringt bestimmt etwas mit.” Durch einen Geistesblitz inspiriert, sprach der Kobold: “Ich habe eine Aufgabe für Dich. Du wirst ab jetzt die Wünsche der Menschen erfüllen, damit ich mich nicht mehr darum kümmern muss.” Der Junge blickte ihn fragend an. “Wie soll ich das machen? Ich habe keine Magie in mir und bin doch nur ein einfacher Mensch.” “Du wirst Dir einfach die Wünsche der Leute anhören und wenn er durch das Einfordern eines Gefallens ermöglicht werden kann, so bringst Du einfach den Wunsch und den Gefallen übereinander.” Friedhold dachte einen Augenblick darüber nach. Dann sagte er: “Das ist eine ausgezeichnete Idee.” Einer Eingebung folgend sagte Drak: “Wenn Du dann doch noch Magie brauchst, kannst Du mich ja immer noch um Hilfe bitten.” Voller Tatendrank sprang der Junge aus seinem Bett. Er war schon im nächsten Moment angezogen und wartete hinter der Wand auf den ersten Wunsch. Es dauerte nicht sehr lang, bis ein altes Mütterchen in die Lagerhalle schwankte und einen kleinen Teller Milch auf den Boden stellte. Sie sagte: “Ich bitte im Namen meines Enkels. Er hat ein Mädchen kennengelernt, das ihm Flausen in den Kopf setzt. Sie bringt ihn ständig von seiner Arbeit ab. Bitte kümmere Dich um ihn, damit er auf den rechten Pfad zurückkehrt.” Friedhold sah die Alte. Er haderte mit dem schmalen Geschenk, den die Frau vor sich auf den Boden gestellt hatte und sagte: “Das Bisschen Milch ist aber viel zu wenig für den großen Gefallen. Du musst mir schon mehr geben, neben dem Gefallen, den Du mir am Ende schulden wirst.” Listig blickte die Großmutter auf die Wand. “Wenn Du mir meinen Enkel wiederbringst, so werde ich Dir meinen Silberring schenken, den ich zu meiner Hochzeit erhalten habe.” “Den Gefallen schuldest Du mir aber auch.” Voller Freunde hätte der Junge fast die übliche Bezahlung vergessen. Siegessicher klatschte die Alte in die Hände und sagte: “Du bekommst was Du willst, wenn wir eine Einigung erziehlen.” Tief in der Nacht stohl sich Friedhold zu dem Mädchen, dass das Herz des treuen Enkels gestohlen hatte und platzierte Blumen vor ihre Haustür, mit einem kleinen Zettel, den er zwischen die Rosen steckte. Am nächsten Morgen erblickte das Mädchen die Blumen und war hoch erfreut. Mit einem Lächeln auf den Lippen rannte sie zu ihrem Angebeteten, präsentierte ihm freudestrahlend den Strauß und fiel ihm um die Schulter. “Ich danke Dir für Deine schönen Blumen.” Die Junge wunderte sich, als ihm das Mädchen den kleinen Zettel mit den Worten: “Du weißt doch, dass ich nicht lesen kann. Ließ mir vor was Du geschrieben hast.”, überreichte. Auf dem Zettel stand: “Ich danke Dir für Die schöne Zeit und die letzte Nacht. Ich schmecke Dich immer noch auf meinen Lippen.” Nachdem der Junge für sich den Zettel las, wallte Wut in ihm auf. Er schmiss ihn auf den Boden und rannte zornig von dannen. Das Mädchen jedoch wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte. Friedhold beobachtete aus seinem Versteck die Scharade. Er freute sich über das Gelingen seines Vorhabens. Guter Dinge kehrte er zurück zum Kobold und berichtete ihm von der Erfüllung des Wunsches. Drak hingegen schüttelte nur traurig den Kopf. “Das wird kein gutes Ende nehmen.” Von dem silbernen Ring erzählte der Junge allerdings nicht. Den behielt er für sich. Nach einem Jahr hatte Friedhold über hunderte Wünsche erfüllt. Manchmal musste er dafür andere Gefallen einfordern, manchmal gelange es ihm auch mit Liste die Ziele ganz alleine zu erfüllen. Er benutzte dabei allerdings so viel Tücke, dass der Ruf des Kobolds schwer darunter litt. Dazu forderte Friedhold immer größere Bezahlungen, da ihm einfach Ringe nicht mehr reichten. Bald füllte sich seine Taschen randvoll mit Reichtümern, ohne dass er dem Kobold davon erzählte. Durch sein Geschick wuchs der Ruf, auch wenn er nicht immer positiv war. Eines Tages kam ein reicher Edelmann in den Keller. Er baute sich vor der Mauer auf und sagte: “Mein Reich wird durch eine Räuberbande ausgeraubt. Ich bitte Dich, die Räuber ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Wenn Du mir den Gefallen tust, so will ich Dich reichlich belohnen.” Friedhold gefiel die Idee, besonders weil er langsam darüber nachdachte, seinen eigenen Haushalt zu führen. Reichtümer in aller Form würde er gerne erhalten, weshalb er dem Edelmann seine Hilfe zusagte. Nach dem Besuch eilte der Geselle zu seinem Meister. “Ich kann den Wunsch des reichen Edelmannes nicht erfüllen. Es gibt keinen Gefallen, den ich dagegen austauschen könnte. Du musst mir Deine Magie beibringen.” Drak hörte sich die Geschichte an. Nachdenklich ließ er sich auf die Erde nieder. “Wie willst Du eine Gruppe Räuber stoppen? Willst Du das ganz alleine schaffen?” “Man müsste ihnen eine Abreibung verpassen, sodass sie hinterher wissen, was gut für sie ist.” “Du willst also in ihr Lager? Willst Du sie mit Deinen dünnen Ärmchen erschrecken oder meinst Du, dass Deine Stimme dazu reicht?” “Du musst mich so stark machen, dass ich sie alle umhauen kann. Dann kann ich ihnen eine Lehre geben, die sie bis zu ihrem Tod nicht vergessen werden.” Der Kobold lachte. “Du willst sehr viel von mir.” “Wenn Du mir hilfst, werde ich Dich nicht weiter stören. Als starker Mann kann ich die meisten Dinge selbst erledigen.” “Die meisten gehen ein Leben lang trainieren, um diese Stärke zu besitzen. Du willst sie einfach durch zaubern erlangen? Das passt sehr gut zu Dir. Anstelle von anstrengender Arbeit nimmst Du einfach die Abkürzung.” “Der Edelmann und seine Untertanen sind eingeschüchtert. Sie leben jeden Tag in Angst, weil die Räuber sie bedrohen. Wie kannst Du nur so ein herzloser Kerl sein.” Nachdem er stundenlang an sein Gewissen appellierte, gab der Kobold endlich nach. Er nahm alle seine Kräfte zusammen, bis Friedholds Muskeln ein Vielfaches seines vorigen Umfangs hatten. Ein Lächeln lag auf dem Gesicht des Gesellens, der jetzt so stark war, dass er ein gesamtes Haus hätte anheben können. Er verließ den Kobold noch am gleichen Abend, wobei sein Meister die Hoffnung pflegte, ihn nicht mehr wiederzusehen. Tatsächlich kam er am nächsten Tag nur mit kleinen Kratzern und einem noch breiterem Lächeln zurück. “Ich habe sämtliche Räuber in die Flucht geschlagen. Keiner von ihnen ist noch geblieben. Dass sie wiederkommen ist sehr unwahrscheinlich.” Der Kobold, der von der magischen Anstrengung noch sehr geschwächt war, nickte nur. Am gleichen Tag stellte der Edelmann so viele Reichtümer in das Lager, dass einem Zuschauer schwindelig wurde. Er versprach dem Jungen, den Gefallen, egal um was es sich handeln würde, zu erfüllen. Der Kobold hingegen bekam von der Übergabe nicht viel mit. Friedhold nahm all das Geld und alle Edelsteine, kaufte sich eine Kutsche und verschwand von der Burg des Kobolds, der ahnungslos darauf wartete, seine Kräfte erneut sammeln zu können. Er benötigte dafür fast einen gesamten Monat. Nachdem er sich endlich von seinem Lager erhob, bemerkte er, dass der Junge verschwunden war. Er lächelte dabei, weil er jetzt hoffte, endlich seine Ruhe zu haben. Doch anstelle der Ruhe traten große bewaffnete Männer in den Keller. Sie drehten jeden Stein um, entdeckten allerdings nicht den Zugang zum Raum des Kobolds. Anstelle den Keller jedoch zu verlassen, stellten sie Wachen ab, um jegliche Personen am Eingehen und Ausgehen zu hindern. Andauernd saß ein grobschlächtiger Kerl vor dem Eingang von Draks Behausung und machte es ihm unmöglich, seine normalen Spaziergänge innerhalb der Burg durchzuführen. Außerdem kam Drak nicht an das Essen und das Bier, an dem er sich regelmäßig erfreute. Dies ging fast drei Monate so, bis die Wächter endlich abgerufen wurden. Anstelle den Keller allerdings nur zu verlassen, verschlossen sie die Tür mit Steinen und mauerten sie fest, so dass der Kobold nicht entfliehen konnte. Drak brauchte drei weitere Monate, bis er seine magische Kraft sammelte, um die Tür wieder zu öffnen. Er kochte voller Wut und suchte den eigentlich Burgherren im Schlaf auf. Kobolde gelingt es manchmal in den Traum von Menschen einzudringen, was Drak in diesem Fall auch tat. Er wusste nicht, was geschehen, wenn er sich dem Herren direkt zeigte. Auf diesen Weg erfuhr er, was sein früherer Geselle getan hatte. Die angeblichen Räuber waren eine Brigade seines eigenen Gastgebers gewesen, der sich gegen den raubritterlichen Nachbarn zur Wehr setzten wollte. Dieser hatte über mehrere Jahre schon seine Ländereien überfallen und auch seine anderen Nachbarn gequält. Erst mit Gewalt gelang es dem Hausherrn der Wittringer Burg, seinen Feind zu sich zu bringen. Dort angekommen war der Raubritter in den Keller geschlichen und hatte sich den Gefallen des Gesellen eingefordert. Dieser hatte in seiner Dummheit die eigenen Soldaten für Raubritter gehalten und hatte bei seiner Erfüllung des Wunsches nicht nur den Raubritter befreit, sondern den Wächtern des eigenen Hausherren starke Schäden zugefügt, sodass die Ländereien dem weiteren Treiben des Raubritters in Zukunft schutzlos ausgeliefert waren. Durch einen Umweg erfuhr der Hausherr, dass seine Männer von dem eigenen Kobold auf seiner Burg überfallen wurde. Ihn hatte die Wut so sehr gepackt, dass er seinen Gast verfluchte und ihn finden und töten wollte. Der Geselle, der seinen Fehler bemerkte, floh mit seinen Reichtümern nach Süden. Soweit man erfuhr, machte er mit seinem Geschäft des Wünscheerfüllens und Gefalleneinforderns weiter. So gründete Drak, ohne es zu wissen, die Mafia. Davor erfuhr er allerdings nie etwas.