Drak erzählte mir von unberührten Welt, weit bevor die Menschen in diese Wälder strömten und alles mit ihrem Lärm und ihren Müll überfüllte. Früher überwucherte ein breiter Urwald dieses Gebiet. Damals lebten die Kobolde in Höhlen oder Bäumen und ernährten sich von Beeren, Kräutern und Pilzen. Ein Treffen zwischen Kobolde war selten, da jeder von ihnen noch die große Schlacht beim ersten Treffen lebhaft in Erinnerung hatte. Einer von Draks Volk, ein Kobold namens Ekerken war der Herr über ein großes Stück Land, in dem er jeden Baum, jedes Tier und jeden Strauch beim Namen kannte. Er hatte sich in einer kleinen Höhle niedergelassen, in der er es sich gemütlich machte. Als er eines Tages von einem ausgiebigen Spaziergang durch sein Reich in seine heimelige Behausung zurückkam, lag ein großer brauner Bär auf dem Stroh, welches Ekerken sich als Bett aufgeschüttet hatte, gleich neben der kleinen Feuerstelle, an der der Kobold die strengen Winter verbrachte. Außer sich vor Wut trat das kleine Männchen in den Bauch des Bären und schrie aus Leibeskräften: „Verschwinde aus meiner Höhle!“ Der Bär jedoch, der die winzigen Tritte kaum merkte und dem die schrillen Schreie nicht störten, schnarchte einfach weiter. Es blieb dem früheren alleinigen Bewohner der Höhle nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass der Bär aus seinem Schlaf erwachte. Während das Tier seine Ruhe genoss, schmiedete der Kobold einen Plan, um Meister Pelz aus seiner Höhle zu vertreiben. Er knirschte mit den Zähnen, denn es war nicht seine Art, mit großer Weisheit über andere zu triumphieren. Als der Bär endlich erwachte, fand er den grübelnden Ekerken an seinem Bett sitzend. Überrascht erhob sich das Tier, während es den Eindringling neugierig musterte. Ohne einen Augenblick über die Gefahr nachzudenken, schrie der Kobold; „Verschwinde sofort aus meiner Höhle, du dummer alter Bettvorleger. Du hast hier nichts zu suchen!“ Der Bär, der immer noch den letzten Traum abschütteln musste, brummte zunächst und sagte dann: „Ich wusste nicht, dass diese Höhle bewohnt ist. Es tut mir leid.“ „Du saudummes Vieh siehst nicht, dass hier schon jemand lebt? War das Stroh in der Ecke nicht Beweis genug dazu?“ „Ich hatte mich schon darüber gewundert.“ „Du sollst Dich nicht wundern, sondern erst einmal nachdenken, oder fällt Dir das zu schwer?“ Die Aggressivität, die der kleine Mann dem großen Bären entgegenbrachte, färbte in diesem Moment leicht auf das Tier ab, welches aufgab sich zu rechtfertigen. „Die Höhle ist doch groß genug für uns zwei. Du bist so klein, dass Du immer noch mehr als genug Raum hast.“ „Du stinkst wie die Pest. Wie soll ich denn hier schlafen, wenn eine Jauchegrube direkt neben mir schnarcht? Du gehst jetzt! Ich möchte Dich nie wieder sehen. Weder hier in der Höhle, noch draußen in meinem Wald. Sieh zu, dass du wegkommst.“ Der Bär schüttelte langsam den Kopf. „Ich werde nicht dieses Land verlassen. Ich bin gerade hier angekommen. Der Weg war viel zu beschwerlich und ich muss mich ausruhen. Du könntest mich wenigstens als Gast bei Dir schlafen lassen. Das gebietet die Gastfreundschaft.“ „Die kannst Du Dir hinter die Ohren schieben. Ich werde niemals zu Gästen freundlich sein.“ Die Beiden sahen sich gegenseitig feindselig tief in ihre Augen. Keiner von Beiden wollte auch nur ein fingerbreit nachgeben. Der Bär war viel zu geschwächt, um einfach weiterzuwandern und der Kobold würde selbst sein Leben riskieren, um wieder alleine in seiner Wohnung zu sein. Nach einer Ewigkeit räusperte sich Ekerken. Dann sagte er: „Wir können ein Spiel spielen, um die Sache zu entscheiden. Wir spielen reihum verschiedene Spiele, die abwechselnd von Dir oder von mir vorgeschlagen werden. Wer zuerst 4 dieser Spiele gewinnt, darf die Höhle und das umgebende Land besitzen. Der andere muss alle hier verlassen. Er wird sich einen eigenen Fleck suchen müssen.“ Nachdenklich willigte der Bär in den Vorschlag ein. Er verlangte allerdings, dass man ihn das erste Spiel vorschlagen lassen sollte. Natürlich wusste er sofort, in welchen Dingen ein Bär nicht geschlagen werden konnte und der Vorsprung würde ihn beim weiteren Verlauf des Wettstreits helfen. Der Bär führte den Kobold zu einem breiten Fluss, in dem die Fische knapp unter der kristallklaren Wasseroberfläche schwammen. Er deutete auf den Dicksten von Ihnen und sagte: “Wer die größten von ihnen aus dem Fluss holt, der gewinnt das erste Spiel.” Ekerken kniff die Augen zu Spalten und biss sich auf die Lippe. Nach einer Weile nickte er, holte sich einen schmalen Stock, den er an einer Seite mit einem Feuerstein, den er immer in der Tasche hatte, leicht anspitzte und stellte sich in Position. Der Bär beobachtete ihn schmunzelnd. Er wusste, dass niemand so viele Fische fangen konnte, wie ein Bär, der sich auf seit Jahren auf den Fischfangen spezialisiert hatte. Kaum hatte der Kobold den Anfang des Spiels verkündet, strützte sich das Tier in die Fluten und griff mit seinen Fängen und seinem Maul ein Fisch nach dem anderen aus dem Wasser. Bald lag ein riesiger Haufen glitschiger Hechte am Land. Der Kobold konnte nur wenig dazu beisteuern. Zunächst versuchte er selbst sein Glück, doch nach einer Zeit schaute er nur noch seinem Kontrahenden beim Fischen zu. Nachdem das Ufer sich mit Fischen gefüllt hatte, pfiff Ekerken durch die Zähne und sagte: “Ich habe wohl keine Chance gegen Dich. Du bist auf jeden Fall der Sieger bei diesem Spiel.” Der Bär erhob seinen Kopf und dröhte: “Wenn die Spiele so weitergehen, ist das Land und die Höhle bald mein.” “Sei Dir nicht zu sicher. Jetzt bin ich dran mit meinem Spiel.” Der Kobold führte sie tief in den Wald, an einen Ort, in dem zwei kleinere Eichen eng beieinander standen. Er deutete auf die Bäume und sagte: “Wer zuerst einen der beiden Bäume gefällt hat, ist der Siege des zweiten Spiels.” Mit seiner tiefen Stimme lachte der Bär. “Das ist keine Aufgabe für mich. Die lächerlichen zwei Sträucher reiße ich gleichzeitig aus und wir können mit dem nächsten Spiel weitermachen.” Der Kobold hingegen ergriff seine Axt, die er sich aus Feuersteinen gehauen hatte und lächelte siegessicher. “Ich nehme diese und Du die andere. Sobald ich die Axt zum Schlag aushole, fängt das Spiel an.” So einfach wie der Bär es vorher meinte, war das Fällen seines Baumes nicht. Die Eiche hatte massenhaft Wurzeln getrieben und ließ sich nicht von ihrem Platz bewegen. Mit sämtlicher Gewalt riss und schob das Tier am Stamm, während der Kobold seine Axt immer schneller niedersausen ließ. Schweiß strömte ihm über die Stirn, doch als er den Stamm fast durchschlagen hatte, hörte er ein tiefes Grollen von der Seite. Knapp bevor er fertig wurde, hatte der Bär es endlich doch geschafft, seinen Baum umzureißen. Auch dieser Punkt ging an Meister Pelz und das kleine Wesen musste sich geschlagen geben. In seiner Wut schlug er noch einmal zu und auch sein Baum landete im alten Laub. Der Bär ließ seine Tatzen zusammenklatschen und sagte: “Als nächstes sammeln wir Honig. Sobald die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat, treffen wir uns wieder hier und wer den meisten Honig mitbringt, der hat gewonnen.” Er brummte lachend und fügte hinzu: “Auch dieser Punkt wird an mich gehen. Du kannst auch gleich aus dem Land verschwinden.” “Das werden wir sehen.”, presste der Kobold zwischen den Zähnen hervor. Als die Sonne am höchsten Punkt stand, waren die Feinde zurück an den gefällten Bäumen. Der Bär hielt eine riesige Wabe in den Händen, während der Kobold nur klebrige und zerstochene Hände vorweisen konnte. Er hatte zwar einen Bienenstock gefunden, jedoch ließen seine Bewohner ihn nicht nah genug heran, um mehr Honig zu bekommen. Außerdem hatte sich Ekerken bisher nie um die klebrige Masse bemüht, da er die Süßigkeit zwar vom Namen, allerdings nicht vom Geschmack kannte. Als er jetzt seine schmerzenden Finger in den Mund führte, bemerkte er, was ihm bisher entgangen war und schwor sich, Honig in der Zukunft mehr Beachtung zu schenken. Der Bär lachte über den Kobold und sagte: “Auch diese Punkt geht an mich. Wenn ich das nächste Spiel gewinne, kannst Du gleich von hier verschwinden.” Siegessicher rieb er sich die Tatzen. Die Stimmung des Kobolds verfinsterte sich noch ein wenig mehr. Er sagte: “Mein Spiel ist das Schnitzen eines Speers aus dem Stamm der Eichen.” Er dachte bei sich: “Auch wenn das dumme Vieh mich an Kraft und Geschicklichkeit übertrifft, wird er doch nicht so gute Feinarbeit leisten können, wie ich das mit meinen Händen schaffe. Jetzt wenden sich das Blatt.” Er griff zu seinem scharfen Messer und gegab sich sofort an die Arbeit. Der Bär hingegen griff sich den Stamm und kaufte und kratzte seine Spuren hinein. Sein Kiefer mahlte die Birke ab und nach einiger Zeit konnte man den Speer tatsächlich erkennen. Der Kobold hingegen, der viel feiner und sorgfältiger arbeitete, kam nicht so schnell vorwärts. Nachdem die Birke von den scharfen Zähnen abgerissen wurde, scharbte der Bär das Holz vom Stamm, bis nur noch ein armdicker, grader Stab blieb, dem das Tier mit seinen Zähnen eine Spitze verpasste. Der Kobold hingegen war nur zur Hälfte fertig und blickte jetzt fassungslos zur Arbeit das grobschlächtigen Raubtier hinüber, der seinen Speer voller Stolz präsentierte. “Ich bin auch beim vierten Spiel schneller als Du.” “Zeig mir mal das Holz, was Du bearbeitet hast. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das Ding überhaupt verwenden kann.” Naiv, wie Bären nun mal sind, überreichte er dem kleinen Wesen seinen Speer. Der Kobold, der jedoch nur auf diese Gelegenheit gewartet hatte, griff sich die Waffe, drehte sie blitzschnell in seinen Händen und stieß sie mit voller Wucht in die Flanke das Tiers. Der Kampf war kurz. Letztendlich holte sich der Kobold eine blutige Nase und zwei tiefe Narben im Gesicht, konnte jedoch das Tier besiegen. Wenn Du also irgendwann einmal einen Kobold hier im Wald triffst, der einen Bärenmantel trägt, dann sei gewarnt: Lass Dich niemals auf ein Spiel mit ihm ein!