Winter war heute nicht gerade gut gelaunt. Sie suchte Streit.
Ich glaub, dass jeder Mann instinktiv weiß, wenn eine Frau Streit sucht. Einen Weg Drumherum gibt es meistens nicht. Aus diesem Grund liebe ich auch den direkten Weg, d.h. die direkte Konfrontation. Ein reinigendes Gewitter hat schon vielen geholfen und selten geschadet.
Allerdings wusste ich nicht, ob ein sofortiger Bruch mit Winter nicht wesentlich hilfreicher für mich wäre.
Winter sagte: »Du bist so verdammt passiv. Wenn ich sehe, wie uninteressiert Du bist, dann kotzt mich das an.«
Ich sagte: »Das kann ich gut verstehen. Passive Charaktere sind die zweitschlimmsten Personen in Literatur, Theater, Film und Fernsehen.«
Sie sagte: »Anstatt Dich zu rechtfertigen, sprichst Du von Allgemeinplätzen. Wenn ich Dich angreife, dann lenkst Du ab.
Wenn ich Dir jetzt sage, dass Du ein weinerliches Weichei bist, was antwortest Du dann?«
Ich sagte: »Diese Charaktere sind mit Abstand die Meistgehassten. Sobald der Protagonist anfängt zu weinen, verliert er alle Sympathie. Der Tod eines Statisten, der heult, ist für den Zuhörer, Zuschauer oder Leser meistens hoch befriedigend. Niemand will sich mit Weicheiern und Heulsusen identifizieren.«
Winter verdrehte die Augen.
Ich sagte: »Schreckschrauben wie Du, machen allerdings gute Antagonisten. Noch ein wenig mehr Darth Vader und wir haben einen Fiesling für die Geschichte gefunden.«
Winter fauchte wie eine Katze. Sie schrie mich an, so laut, dass ich die Worte nicht hören konnte. Dann rannte sie zur Tür und war verschwunden.
Ich schüttelte nur traurig meinen Kopf und war kurzzeitig so weit mich zu bemitleiden.
Da ich allerdings weiß, dass das hier keiner von mir lesen möchte, bitte ich um Entschuldigung.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

17 Gedanken zu „Weichei Protogonisten“
  1. Normalerweise würde man jetzt wohl sagen, sie hat ihre Tage. 😀 Es bleibt aber zu bezweifeln, ob ihre Stimmung durch solch weltliche Dinge getrübt werden kann.

    1. Absolut nicht. Ach was soll ich sagen, manchmal geht halt alles schief. Da wird man von kotzenden Kindern um 4 Uhr morgens aufgeweckt und hat leider kein Waschmittel im Haus. Dann öffnet der erste Laden erst um 7 Uhr… Das kann einen schon mal stressen!

    1. Den Roman hab ich nicht gelesen. Aber ich habe schon oft einen Satz wie folgt gehört: „Das Buch war schlecht, weil der Protagonist so passiv war.“
      Es ist ein Problem bei der klassischen Charakterentwicklung, dass der Protagonist erst nach dem Mittelpunkt aktiv werden sollte. Vorher wird er geleitet, d.h. er reagiert. Erst danach muss er agieren und selbstverständig werden. Wie schreibt man das, ohne dass er passiv wirkt und den Leser abschreckt?

      1. Hm, gute Frage… Indem man sich Anfangs weniger auf den Protagonisten konzentriert und eher die Nebenfiguren und das „Universum“ entwickelt? Ich weiß nicht ob deswegen der Protagonisten gleich passiver ist, nur weil er weniger im Fokus steht…
        Meine Protagonisten sind immer das genau Gegenteil (laut meiner Freundin) sie sind zu aktiv, da man sich selbst mit ihnen identifiziert und sie deshalb als „Held“ darstellt – klassischer Anfängerfehler meinte sie dazu 😀

        1. lol – ja klar das ist ein Fehler. Schau z.B. mal „The Dark Knight“, der schon verdammt oft herhalten musste. Batman will die ganze Zeit nicht handeln. Der Joker zwingt ihn dazu. Erst später wird er aktiv.
          Oder Star Wars IV (auch wenn der Protagonist mit R2-D2 gar nicht im Mittelpunkt steht) in dem Luke zunächst mitgezogen wird und erst nach dem Tod von Onkel Obi anfängt selbst zu handeln.
          Wenn Du Dir andere Geschichten ansiehst, ist es genauso.
          Nimm Komödien (Bridget Johns etc.), immer beginnt das Agieren erst in der Mitte des Films.

  2. Ja, aber das ist doch zwangsläufig so, da erst die Basis für den Plot geschaffen wird und dann die Handlung erst noch zum Helden gebracht werden muss. Denn die Grundform oder besser das Bestreben der Menschen ist nun einmal ein normales Leben zu erreichen in dem sie nicht Getriebene sind, sondern Verwalter ihres Glücks. Ohne diesen Bruch weg vom normalen Leben hat man doch gar keinen Grund aktiv zu werden und zu „handeln“ um die Handlung voranzubringen- außer Batman in „the dark knight“, das passt hier bei mir nicht, ist aber auch ne Fortsetzung

    1. Ne das stimmt so nicht. Dem Leser wird in „normalen“ Handlungen eine Entwicklung des Helden gezeigt. Bei Kinderfilmen ist das immer recht leicht zu durchschauen.
      Der Charakter ist z.B. erst sehr ängstlich und muss Mut finden. Den findet er den und kann mit dem Mut das große Happy End erlangen.
      Bei Kampffilmen muss der Held stark werden oder eine bestimmte Technik erlernen (siehe fast jeder Superheldenfilm im ersten Teil) Zunächst ist da die Schwäche – Batman will aufhören, er hat keinen Bock mehr – dann kommt die Wende – er merkt, dass er nicht aufhören darf – dann kommt das Finale.
      Der Film Batman Ii ist genial. Der Zuschauer weiß, dass Batman super stark ist und keine Schwäche kennt, also erfindet man eine, die im Film sogar plausibel ist. Das macht die Handlung hier so großartig. Ich find, das bei Iron Man das wesentlich schlechter gelöst wurde…
      Der Held wird zu der Wende „getragen“, dann hat er gelernt und wird aktiv. Bis dahin ist er „passiv“ auf irgendeine Art und Weise.

      1. Es wird keine Schwäche erfunden, sie ist die Menschlichkeit und Moral des Superhelden (in „the dark knight) und obwohl ich diesen Film sehr mag, entspricht er damit natürlich jeder klassischen Superhelden-Story, in der es um den Kontrast geht zwischen dem außergewöhnlichen Helden und seinem gewöhnlichen Umfeld.
        Das ist leider das Langweilige an den Marvel-Filmen da sie immer nach dem gleichen Prinzip verlaufen, dem hin und her gerissen sein zwischen Erlöser-Dasein und Normalität; mir waren deshalb von jeher Mangas näher als diese Helden in Strumpfhosen (richtige Mangas wie „Akira“ oder „Ghost in the Shell“ – NICHT die Filme dazu), da sie meistens einer anderen Form von Story-Telling folgen, da es dort oft nicht den einen Protagonisten gibt.
        Jetzt bin ich aber total vom Thema abgekommen… Ähm… Ich wünsche dir einfach einen guten Rutsch und dabei einen schönen Abend.
        (das kommt davon wenn man „schnell noch kommentieren“ will

        1. Erst einmal hast Du natürlich recht. Alle Hollywood-Filme folgen einem Muster, welches vorgeschrieben ist. Da es sich als erfolgreich erwiesen hat, wird es nicht geändert.
          Dazu gehört eine Charakterentwicklung, wie ich oben schrieb. Die beruht auf einer „Schwäche“ die der Held im Laufe der Handlung zu überwinden hat. Dass diese Schwäche etwas menschliches ist, steht außer Frage. Bei Sing-Filmen ist es das Lampenfieber des Protagonisten, bei Romanzen ist es entweder die Entscheidungslosigkeit (Dreiecksbeziehung) oder die Schüchternheit, bei Kampffilmen die Unfähigkeit etc.
          Dies vermeintliche Schwäche kann auch etwas Positives sein, was überwunden werden muss. Bei einem Protagonist der immer fieser wird, könnte es z.B. das Mitleid sein, welches ihm im Weg steht.
          Mit dem Überwinden der Schwäche geht es in den Endkampf. Das ist in Hollywood so. In vielen Schreibratgebern wird ebenfalls dazu geraten, weil die Menschen sowas schon kennen (siehe z.B. Die Heldenreise – einfach mal auf Wiki suchen).
          Bei Superhelden wird es schwer. Sie haben keine Schwächen und dürfen nicht böse werden. Also? Man gibt Ihnen im zweiten Teil noch mehr Feinde? Man nimmt ihnen die Kräfte? Man läßt sie zweifeln?
          Das war alles schon da. Die langweiligste Lösung ist die, mit den Feinden. Spiderman wurde dadurch zum echten Superschnarcher. Wenn man Iron Man im nächsten Teil erneut alle seine Anzüge klaut, muss ich kotzen.
          Du siehst hoffentlich jetzt, wo ich hin will.
          Gruß
          SAC

  3. Du Sack Bob
    bist ein Schlitzohr das sich gewaschen hat und Dein Gesicht strahlt ja den Schalk in Dir bis über beide Ohren aus Die Schwäche des Menschen so vorzuführen so das er nicht erniedrigt wird ist eine noch selten
    heilsame Kunst Wie wärs für 2016 mit einer Cabareterweiterung Deines Schaffens alleine oder mit Partner
    Partnerin Ich bin Dein erster Fan Wohlan
    Schön Dich auch in den 2016ern stürmischen Zeiten als innerlichen Ruhepol zu erleben
    danke
    Dir Joachim von Herzen und flatterndes Fähnchen im Wind

    1. Dank Dir für Deine lieben und wohl temperierten Worte. Ich kenne auch kaum jemand der sich so schön ausdrücken kann wie Du.
      Ich hoffe, dass ich Dich nie mit meinen Texten verletzte, da ich schon ab und zu ein paar Spitzen verteile und oft über das Ziel schieße, wie es so meine Art ist.
      Mit besten Absichten
      SAC

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