Meine Frau meinte, dass mir nicht auffallen würde, wie sehr Winter jedes Mal protzte. Tatsächlich ist es eine meiner ureigensten Eigenschaften, dass ich es einfach nicht begreife, wenn andere in meiner Gegenwart mit Dingen angeben.
Heute beobachtete ich Winter ganz besonders. Tatsächlich setzte sie ihre Diamantringe und die teuren Klamotten immer ins rechte Bild, so dass man sie nicht übersehen konnte.
Ich sagte: »Sag mal, willst Du mir mit den Ringen eigentlich etwas sagen?«
Sie sagte: »Die waren sehr teuer. Ich glaub nicht, dass Du Dir so etwas überhaupt leisten könntest. Selbst wenn Du bis an Dein Lebensende dafür sparst.«
Ich sagte: »Ich glaub, wenn ich bis an mein Lebensende für etwas spare, kauf ich keine Diamantringe.«
Sie sagte: »Nein ihr Männer steht ja eher auf Sportautos und Segeljachten.«
Mein Kopf wanderte von einer Seite auf die andere. Ich sagte: »Das Geld wäre mir zu schade. Da würde ich mir eher etwas anderes holen.«
In ihrem Gesicht huschte eine Augenbraue nach oben, als hätte ein Reh das Rudel für einen Augenblick verlassen. Anscheinend zeigte sie so ihr Erstaunen.
Ich sagte: »Während sich meine Freunde sich jedes Jahr Urlaube und alle paar Jahre ein Auto gönnten, wollte ich ehr einen neuen Computer.
Außerdem, was soll der ganze Materialismus? Mitnehmen können wir das Zeug nicht.«
Sie sagte: »Du meinst in das nächste Leben?«
Ich sagte: »Daran glaube ich persönlich nicht. Ich meinte eigentlich eher das Altersheim. Da ist es egal, welchen Wagen Du in der Garage hast. Er wird eh für Deine Pflegestufe geopfert.
Ich denke da an meine Oma, die aus eigenem Wunsch in ein Heim gebracht wurde, als sie nicht mehr gehen konnte.
Dort war es eher wichtig, dass man was erlebt hatte.
Wenn Du im Stuhlkreis sitzt und von Deinen Jachten und Wagen sprichst, wirst Du gelangweilte Leute sehen, die ihre Rollwagen möglichst zügig aus Deinem Weg schieben.
Wenn Du jedoch coole Geschichten aus Deiner Vergangenheit hast, wird man Dir zuhören.«
Winters Gesichtszüge zeigten Belustigung, als sie sagte: »Du machst das alles für das Altersheim?«
Ich sagte: »Nein, ich mach das für mich.«
Sie ließ die Zunge schnalzen, als wäre sie Indiana Jones mit seiner Peitsche und würde mit dieser gerade ein Opfer erlegen. Dann dreht sie sich um und war verschwunden.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

9 Gedanken zu „Materiell“
  1. Wie wahr! Was ist schon eine prall gefüllte Großraumgarage gegenüber dem Rückblick auf ein ereignosreoches Leben, an das man sich mit einem Lächeln erinnert. 😀 Auch wenn ich natürlich gegen einen Lottogewinn nichts einzuwenden hätte.

    1. Geld beruhigt doch sehr. Das ist wohl kaum zu bestreiten. Leider gibt es ja die Leute denen es meiner Meinung nach zu wichtig ist. Aber ich möchte nicht über Prioritäten sprechen. Ich wüsste nicht was das Wichtigste ist.

    1. Dank Dir. Wobei ich an dieser Stelle schreiben muss, dass der Text schon im November entstand. Ich weiß nicht recht, ob ich heute noch mit dem „Altersheim“ argumentiert hätte. Ich hoffe niemanden dabei verärgert zu haben. Ich hatte ernsthaft darüber nachgedacht den Text noch umzuschreiben. Aber der Sinn ging dann verloren…

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