Beim Abwasch stand ich erneut neben Boris am Spülbecken. Ich hatte mich so sehr daran gewöhnt, Teller abzutrocknen.
»Was planst Du? Was ist Dein Trumpf, von dem Du erzählt hast?«, fragte ich Boris.
»Ich habe noch sowas wie ein Handgerät meines Transporters. Ich zeig ihn Dir, wenn wir schlafen gehen.«
Anja betrachtet Boris kritisch. »Ich kann Dir den Quatsch immer noch nicht ganz abnehmen. Erklär mir doch bitte, auf welchen Theorien Deine Erfindung beruht.«
Boris stöhnte. Er blickte uns an, als wolle er einem Hund das Zeitunglesen beibringen.
»Alles geht zurück auf die Entdeckung der Quantenphysik. Eigentlich begann es noch eher. Vor über hundert Jahren entdeckten Forscher, durch die Brechung des Lichts am Doppelspalt, dass Licht sich in Wellen ausbreitet, genauso wie die Wellen auf einer Wasseroberfläche. Dies wurde als große Erkenntnis gefeiert, bis einige Leute, darunter auch Einstein und Planck behaupteten, dass Lichtstrahlen aus Teilchen aufgebaut werden müssen. Sie belegten dies z.B. durch die Beobachtung am schwarzen Strahler.
Es gab große Dispute, in denen die Verfechter von Wellen und die von Teilchen einander gegenseitig beleidigten.
De Broglies postulierte, da er dem Streit endgültig ein Ende setzten wollte, die die kleine Gemeinschaft der Wissenschaftler spaltete, dass Lichtstrahlen sowohl Teilchen wie auch Strahlen sind. Beide Seiten hatten gewonnen. Damit beendete er zwar den Streit, machte die Lage allerdings nicht einfacher.
Die großen Denker machten sich jetzt darüber Gedanken, welche Materie in Wirklichkeit auch einen Wellencharakter haben könnten. Sie wollten wissen, wie Atome aufgebaut sind, kamen mit den Ergebnissen ihrer Experimente allerdings nicht ganz klar.
Schrödinger kam während einer Ski-Freizeit – manche Menschen können wirklich schwer abschalten – eine Formel in den Sinn, die das Problem beschreiben könnte. Die Formel war super, da sie viele Beobachtung erklärte, hatte jedoch einen Haken: Sie war nicht lösbar. Irgend ein Schwachsinn blieb immer übrig, egal wie man es dreht oder wendete.
Heisenberg leitete aus der Formel seine Unschärferelation ab. Um diese zu Erklären kam erneut Schrödinger auf eine dumme Idee. Er erklärte sie mit einem Gedankenexperiment.
In einem Karton sitzt eine Katze. Neben der Katze steht ein Gift, welches jederzeit die Katze töten kann. Solange man den Karton nicht öffnet und hineinschaut, ist die Katze für den Außenstehenden weder lebendig noch tot. Er kann es nicht wissen, solange er nicht hineinblickt. Wenn er es allerdings tut, hat die Katze einen bestimmten Zustand. Man kann sich allerdings nicht erklären, wie sie es bisher geschafft hat, das Gift zu umgehen.
Schrödinger wurde von Katzenliebhabern übrigens bis zu seinem Tod angefeindet.
Genauso wie bei der Katze ist es auch bei kleinesten Teilchen. Sie sind für uns nicht fassbar. Entweder kennen wir ihren Ort, können dann allerdings nicht sehen, wie sie sich bewegen oder wir kennen ihre Bewegung, können dafür allerdings nicht sagen, wo sie gerade sind.
Die ganze Misere ist ein Ergebnis der Formel, von der ich erzählte. Eine Formel, die nicht gelöst werden kann. Entweder berechnet man den Ort oder die Bewegung. Niemals beides gleichzeitig.
Mit Materie kennen wir uns aus, da sie uns umgibt. Da Schwingungen allerdings größtenteils unsichtbar sind, fehlt uns hier die Erfahrung. Eine tolle Eigenschaft von Wellen ist, dass sie getunnelt werden können.
Es wäre so, als würden sie auf ein Hindernis treffen, es überspringen und unbeschadet hinter ihm erscheinen. Wir können uns das wie einen Geist vorstellen, der durch Türe und Wände gehen kann. Das wiederum können wir uns vorstellen, da das Radio z.B. auch in geschlossenen Räumen funktioniert. Die Radiowellen überwinden Mauern, wobei ich hier stark vereinfache.
Tatsächlich können wir feststellen, dass Wellen von einem Ort zum anderen springen, ohne dass sie jemals im Zwischenraum waren. Diesen Sprung nennt man Tunneln.
Forscher fanden heraus, dass kleinste Teilchen dieselbe Eigenheit haben. Sie springen von a nach b ohne jemals im Raum dazwischen zu sein.
Was sich schneller als Licht bewegt, so sagt Einstein, ist auch schneller als die Zeit. Die Wellen kommen daher schneller am Punkt b an, als sie a verlassen. Ab hier hängt sich unser Gehirn dann auf.
Forscher in Deutschland haben eine Symphonie von Mozart getunnelt. Leider konnten sie ihren Erfolg nicht belegen, da sie die Symphonie im Raum nicht mehr fanden. Sie war zwar am Punkt x verschwunden, ›wo‹ oder besser ›wann‹ sie jedoch aufgetaucht ist, wusste niemand. Ich persönlich glaube, dass die Symphonie einem gewissen Mozart vorgespielt wurde. Er hat in Wirklichkeit nur von sich selbst abgeschrieben!
Die Auswirkungen dieser Überlegungen sprengen auf jeden Fall unseren Kopf.
Neueste Berechnungen haben gezeigt, dass man die Schrödinger Formel doch lösen kann, wenn man die Zeit als komplexe Zahl einsetzt. Sie ist dann nicht mehr eindimensional. Sie besitz eine weitere Ebene. Auch dies können wir mit unserem Geist nicht begreifen.
Durch das Hinzufügen einer weiteren Ebene ist es möglich, dass Teilchen gleichzeitig an zwei Orten sein können.
Wir sind in unserer Welt so gefangen, wie eine Milbe, die auf einem Bett sitzt. Ihre Welt ist eben. Sie kennt kein ›Oben‹ oder ›Unten‹. Die Milbe lebt in einer zweidimensionalen Realität.
Wir kennen nur die lineare Zeit. Gelingt es der Milbe, die Ebene des Bettes zu verlassen, dann wäre fast alles möglich. Sie könnte sich frei bewegen.
Genau das macht mein Gerät. Es befreit uns von der Linearität der Zeit.«
