Vor der Bibelstunde fing mich mein Onkel ab. Er sah traurig auf mich hinab und schüttelte den Kopf. Seine tiefe Stimme brummte. »Ich bin enttäuscht. Du hättest doch wissen sollen, dass so etwas Ärger gibt.«
Innerlich sackte ein Stein auf mein Herz. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen.
»Wir haben als Kinder auch Unsinn angestellt. Die Aktion gestern übertrifft allerdings Vieles, was wir damals machten. So viel Unfug habe ich Dir nicht zugetraut. Ich weiß nicht, was los ist.«
Stammelnd sagte ich: »Es war eine sehr dumme Idee.«
Mein Onkel legte mir seine Hand auf die Schulter. »Nach meiner Unterhaltung mit Siegfried habe ich mit Deiner Mutter gesprochen. Sie wird die Sache auf sich beruhen lassen, solange Du mir versprichst, nicht noch einmal so eine Dummheit anzufangen. Ich bin jetzt persönlich für Dich zuständig.«
Vorsichtig sah ich ihn an. Er strahlte über das gesamte Gesicht. »Jetzt schau mich nicht so traurig an. Ihr seid nun mal Kinder. Ich frage mich, warum das Siegfried und Wilhelm immer wieder vergessen. In eurem Alter sind wir zusammen andauernd zum alten Steinbruch gegangen. Wir kannten alle Geschichten. Die mit dem Geist ist mir allerdings neu.«
»Welche kennt ihr denn?«
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass es einen geheimen Zugang zu einem Raum gibt. In diesem Raum sollen alte Waffen gelagert worden sein. Die Tür dazu haben wir allerdings nie gefunden.«
»Du meinst, da sind Waffen?«
»Es hieß, dass es dort auch einen Schatz geben soll. Ich fand die Geschichte immer blöd, allerdings ist Wilhelm damals davon fasziniert gewesen.«
Herr Berkowitz lehnte an der Tür. Er sagte: »Es ist nur eine dumme Legende. Wahrscheinlich gibt es dort überhaupt keinen Raum. Wir waren als Kinder viel zu leichtgläubig.«
Seine Augen trafen meine und ich merkte die Kälte, die von ihnen ausging. Seine Mine war hart wie Stein. »Du solltest jetzt in die Stunde kommen. Die Anderen sind schon alle da.«
Mein Onkel lachte schallend. »Du solltest nicht so streng mit den Kindern umgehen.«
Die Stimme der Heimleitung war schneidend. »Wenn Du es besser kannst, solltest Du es machen.«
Mein Onkel nickte. »Ich habe vor im nächsten Jahr die Leitung der Kinderfreizeit zu übernehmen.«
Herr Berkowitz ließ den Satz unkommentiert. Er schlug die Tür hinter uns zu.
Die gesamte Bibelstunde blickte ich durch das Fenster. Der Nebel hatte sich geklärt. Nur noch vereinzelte Wolken bedeckten den Himmel. Die Sonne brannte auf das Fußballfeld.
Als die schwarze Limousine vorfuhr, zuckte ich zusammen. Boris wurde blass.
Die zwei Männer, die ausstiegen, waren erneut ganz in Schwarz gekleidet. Sie hatten von außen undurchsichtige Sonnenbrillen an.
Es waren nicht die gleichen Zwei, wie vom Vortag. Einer der Beiden zündete sich eine Zigarette an. Der andere ging zum Haus hinüber.
Ich hörte, wie sich die Haupttür öffnete.
Der Raucher ging auch zum Eingang.
Ein paar Sekunden später, trommelte es an unserer Tür.
Siegfried eilte hinüber und öffnete sie einen spaltbreit. Der Fremde drückte den Spalt auf und betrat unseren Raum.
Er hatte die Zigarette noch im Mund und blickte sich suchend im Raum um. Mit einer Hand schob er Siegfried beiseite.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.