Ich zog mich so schnell ich konnte um. Dann rannte ich zurück nach oben, zum Sportplatz. Mein Onkel und Herr Berkowitz waren zum Glück nirgends zu sehen. Diese Tatsache gab mir neuen Mut.
Diesmal wählte mich Jörg erst als Letzen in sein Team. Damit hatte ich zwar gerechnet, die Enttäuschung machte es jedoch nicht geringer, war ich doch im gleichen Zimmer wie er. Ein wenig mehr Loyalität hätte ich von ihm erwartet.
Boris war nirgends zu sehen. Wie ich ihn kannte, würde er es sich spätestens in der zweiten Halbzeit mit ein paar Büchern am Spielfeldrand bequem machen.
Anja war diesmal in meiner Mannschaft, was ich freudig wahrnahm. Sie hatte deswegen keinen Grund mich zu foulen. Auf den zweiten Blick benötigte sie allerdings auch keinen dafür.
Als der Anpfiff erklang, rannte sie mit dem Ball am Fuß in die Richtung des gegnerischen Tors. Die Jungs hatten Angst vor ihr. Die Mädchen allerdings auch. Nur Heiko stand im Weg. Wahrscheinlich hatte er sie nicht gesehen oder nicht schnell genug reagiert. Auf alle Fälle landete er unsanft auf seinem Hinterteil. Er verzog das Gesicht. Fast hätte er laut geweint, hätte Sarah ihn nicht mitleidig angesehen.
Anja schoss und landete einen Treffer in der oberen rechten Hälfte des Tors. Der Torhüter hatte keine Chance. Mit über dem Kopf ausgestreckten Armen rannte Anja über das Spielfeld. Sie feierte sich selbst.
Aus den Augenwinkeln sah ich meinen Onkel, der langsam zum Spielfeld kam. Er hatte seine Arme vor dem Bauch verschränkt und sah kritisch in meine Richtung. Seine Brille spiegelte die tiefstehende Sonne. Ich konnte seine Augen nicht erkennen.
Während der ersten Halbzeit blieb ich im gegnerischen Strafraum, immer so weit von meinem Onkel entfernt, wie es ging. Die gesamte Zeit tat ich so, als würde ich ihn nicht sehen.
Anja rannte an meine Seite. »Du stehst im Abseits.« »Wo beginnt denn dieses Abseits?«, fragte ich sie. »Bei Dir ist echt Hopfen und Malz verloren. Wenn Du das nicht kennst, dann ließ Deine Bibel. Da steht: ›Jesus stand im Tor und seine Jünger standen abseits.‹, was eindeutig belegt, dass man selbst vor 2.000 Jahren mehr Ahnung von Fußball hatte, als Du je haben wirst.«
Ich ließ meine Augen kurz über den Platz wandern.
»Sag mal, weißt Du, wo Boris ist?« Anja blickte sich um. Ihr Kopf wanderte erst langsam, dann immer schneller von einer in die andere Seite. Dann fluchte sie laut.
»Schon wieder ein Tor?«
»Du Idiot! Wenn er nicht hier ist, wird er sicherlich allein zum Steinbruch gegangen sein.« Anja schüttelte den Kopf. »Das ist überhaupt nicht gut.«
Ich sah sie an und sagte: »Warum?«
»Es wäre besser, wenn wir dabei sind, wenn er die Tür öffnet. Wer weiß, was der Typ dort findet.«
»Du meinst, er nimmt sich das Gold und verschwindet?«
»Wer weiß, ob da drin überhaupt Gold ist. Wir wissen nicht, was hinter dem Zugang ist. Es kann sich auch um das Büro des Steinbruchs handeln.«
»Für so etwas erfindet man doch keinen komplizierten Schlüssel.«
Daniel kam an uns vorbeigerannt. Er schrie uns zu: »Sag mal, wollt ihr Plaudern oder Spielen? Wir brauchen euch.«
Anja sah mich an und lachte. »Er meinte wohl eher mich als Dich.« Dann rannte sie los.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.