Herr Berkowitz hatte sich strategisch günstig hinter seinem Bürotisch gesetzt. Siegfried stand ihm zur Rechten. Wir durften auf drei Kinderstühlen Platz nehmen, die eigentlich schon zu klein für uns waren. Ich saß in der Mitte.
Mit seiner tiefen Stimme intonierte Herr Berkowitz, kaum dass wir uns niedergelassen hatten: »Wir wollen zunächst miteinander beten.«
Er sah uns aus halb geschlossenen Augen, mit leicht gesenkten Kopf an. »Herr, mein Erlöser, wir bitten Dich um Deine Anwesenheit. Du hast uns zugesagt, dass Du dabei bist, wenn zwei oder drei in Deinem Namen versammelt sind.
Wir waren voller Sünde, doch Du hast uns erlöst. Du hast Dein Leben für unsere Missetaten gegeben. Doch wir sind weiter sündig und befolgen Deine Gebote nicht.
Diese Drei waren gestern auf dem Flur, gegen alle Regeln, obwohl es ihnen untersagt war.
Ich bitte Dich, erlöse die drei von ihren Schulden. Ich bin mir sicher, dass sie nicht wussten, was sie taten.
In Deine Gnade begeben wir uns heute und legen unsere Leben auf Deinen Altar. Reinige unsere Herzen und Sinne. Amen.«
Boris flüsterte: »Zunächst hat er ihn erpresst und danach uns verpetzt. Tolle Leistung!«
»Sei ruhig, Du machst ihn nur noch wütender.«, flüsterte ich zurück.
»Was gibt es denn da zu besprechen?«, fragte Herr Berkowitz.
Etwas lauter, jedoch mit gesenktem Kopf sagte ich: »Unsere Missetaten bereiten uns großen Kummer. Wir hätten uns nicht abends treffen sollen. Wir wollten uns zuerst dafür entschuldigen.«
Ich trat Anja und Boris gegen ihre Beine. Die Beiden verstanden und nickten.
»Wir werden die nächsten Tage zusammen den Tischdienst machen.«
Herr Berkowitz donnerte die flache Hand auf die Tischplatte, so dass wir in unseren Stühlen zusammenzuckten. Er sah uns der Reihe nach an. »Soweit kommt es noch. Ich werde nicht zulassen, dass ihr noch einmal alleine zu dritt seid. Sebastian übernimmt das Frühstück, Anja übernimmt das Mittagessen und Du Boris hilfst beim Abendessen.«
Als ich zu Siegfried hochsah, bemerkte ich sein selbstsicheres Lächeln. Die Strafe war schon vorher abgesprochen worden.
Schwerfällig erhob sich Herr Berkowitz aus seinem Stuhl. Er schob ihn heran und lief hinter ihm immer von der einen in die andere Ecke des Raums.
»In meiner gesamten Laufbahn als Heimleiter von Haus Friede, habe ich bei Kindern wie euch noch nie so ein Fehlverhalten gesehen. Natürlich werde ich eure Eltern informieren.
Es gehört sich nicht, dass Jungs in den Flügel der Mädchen schleichen und dort geheime Treffen abhalten.
Wenn ich euch noch einmal erwische, werde ich eure Eltern darum bitten, dass man euch abholt. Ihr müsst verstehen, dass wir dieses Fehlverhalten nicht tolerieren. Ohne Regeln fällt die Welt in Anarchie.«
