Der Abendlobkreis zog sich endlos, während wir einfältig honigsüß- und -klebrige Lieder über unsere Liebe zu Jesus Christus trällerten. Julia war so entzückt, dass sie ihre Arme in den Himmel reckte, was ihr böse Blicke von Herrn Berkowitz einbrachte. Charismatische Anfälle waren hier nicht gerne gesehen. Leute, die sich ganz der Musik hingaben, werden in evangelikalen Kreisen als Spinner abgetan.
Ich wäre am liebsten zu ihrer Verteidigung aufgesprungen. Der unnachgiebige Herr Berkowitz hatte sich allerdings eher unempfänglich für meine Argumente erwiesen, weshalb ich davon absah.
Als wir anschließend in unsere Betten legten, waren Daniel und Jörg so aufgedreht, als hätte man ihnen eine Mäusefamilie in die Hosen gesteckt. Sie fragten Boris über seinen Plan aus, der sich jedoch darauf beschränkte, ihnen zu sagen, dass er an einigen Punkten noch arbeitete. Hätte man die Beiden gelassen, sie wären schon diese Nacht aufgebrochen, obwohl sie sich im Moment nicht leiden konnten.
Mir fiel auf, dass sie sich so ähnelten, dass ein Außenstehender sie, abgesehen von ihrem Äußeren, kaum unterscheiden konnte.
»Kanntet ihr euch eigentlich schon vor der Freizeit?«
Ein Lachen erklang. »Kann man so sagen. Wir sind Brüder.«
Die Erklärung war einleuchtend. »Zwillinge?«
»Ne, Jörg ist ein Jahr älter als ich.«
Heiko sagte mit seiner unaufgeregten Stimme: »Ich hätte euch das nicht angesehen.«
Ich sagte: »Ich habe auch kaum Ähnlichkeiten mit meinem Bruder. Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass man einen von uns Beiden nach der Geburt vertauscht hat.«
Boris sagte: »Ich habe keine Geschwister.«
»Hätte ich Dir jetzt auch nicht zugetraut.«
Heiko sagte: »Ich hab noch eine Schwester.«
»Ist die auch hier?«
»Nein, die ist schon zu alt. Sie macht so einen Kinderkram nicht mit.«
Nach der kurzen Unterhaltung kehrte Ruhe in die Gruppe. Heiko war der Erste, der mit tiefen Atmen, seinen Schlafen verkündete. Ihm folgten die beiden Brüder.
Als aus jedem Bett nur noch Schnarchen zu hören war, sagte ich: »Wofür brauchst Du das Gold?«
Es dauerte etwas. Ich hatte schon fast geglaubt, dass Boris ebenfalls eingeschlafen war, als er antwortete: »Für mein Raumschiff. Ich muss es bezahlen. Ich werde es mit dem Gold aus dieser Kammer in Auftrag geben.«
»Du hast es noch nicht bezahlt? Du musst es erst beauftragen? Diese Zeitsprünge bringen mich ganz durcheinander.«
Ich musste erst einmal eine Weile darüber nachdenken. Dann sagte ich: »Du nimmst mich doch mit, oder?«
»Klar! Mache ich. Das steht doch nicht zur Debatte.«
