Anja blickte mich an und lachte. »Du siehst nicht besonders erholt aus. Kaffee werden wir hier bestimmt nicht bekommen.«
»Sie wussten in den Achtzigern noch nicht, dass schwarzer Tee ungefähr den gleichen Koffeingehalt beinhaltet. Wenn Du Glück hast, haben sie den hier. Allerdings ist es ein Glücksspiel, wie lange er gezogen hat. War der Tee zu lang im Wasser, macht er müde.«
Tatsächlich konnte ich in der Kanne auf unserem Tisch allerdings nur roten Tee finden.
Boris hatte die Augenbrauen hochgezogen. »Was meint ihr mit den Achtzigern?«
Mit einem glockenhellen Lachen sagte Anja: »Die gesamte Zeitreise von der Du erzählt hast, ist der einzige Teil Deiner Geschichte, die ich Dir glaube. Der Rest klingt viel zu fantastisch.«
»Wie soll er denn sonst hierher gekommen sein?«
»Mit dem Bus?« Anja lachte erneut.
»Außerdem wird er von den Men in Black verfolgt.«, sagte ich leise.
Boris riss die Augen auf. Seine Stimme überschlug sich. »Die Men in Black kommen erst in den Neunzigern in die Kinos. Die Comics sind auch noch nicht raus. Woher kommt ihr?«
Mit einem Schulterzucken sagte Anja: »Geht Dich eigentlich nichts an. Wenn Du es allerdings unbedingt wissen willst, kann ich Dir verraten, dass der Ort im nördlichen Ruhrgebiet liegt und mit ‚G‘ beginnt.«
Als ich aufschaute, konnte ich Julia sehen, die zielstrebig unseren Tisch ansteuerte. Sie lächelte mich kurz an und drehte sich dann um. Sarah trabte neben ihr. Die Beiden gingen zu zwei freien Plätzen am Tisch gegenüber.
Ich konnte sie von meiner Position aus leider nur von hinten sehen. Statt der beiden Damen setzten sich kurz darauf Daniel und Jörg an unseren Tisch.
Jörg grinste und sagte: »Ihr ward ja schon gestern dran. Die Chancen stehen also gut, dass wir heute verschont bleiben.«
Daniel erhob grüßend die Hand und sagte: »Hallo schöne Frau.«, in Anjas Richtung. Diese rollte mit den Augen und sagte: »Hallo Spagel. Heute schon gewachsen?«
Kopfschüttelnd setzte sich Jörg neben Anja. »Was hast Du für ein Problem?«
»Ich mag es nicht, auf körperliche Werte reduziert zu werden. Es ist eine Tatsache, dass ich schön bin, aber das muss muss man mir nicht sagen. Außerdem sagt Platon, dass ein Mensch, der anderen Leute Komplimente macht, im Gegenzug dadurch hässlicher wirkt. Er verliert an Wert, in dem er Andere öffentlich wertschätzt.«
Boris schnalzte mit der Zunge. »Du hast Platon gelesen?«
»Nur den Klappentext. Ich würde mich nicht als Kennerin bezeichnen.«
Von der Seite sagte Daniel: »Wir haben in der Klasse gerade Göthe gelesen.«
Jetzt war es an mir, mit den Augen zu rollen. »Die Aufklärung finde ich so pathetisch moralisierend, dass ich sie kaum ertragen kann. Das gilt sowohl für den alten Dichtervater wie auch seinem Partner mit der Locke.«
Anja lachte und sagte: »Fehlt nur noch der Typ mit dem Walküren-Ritt und wir können den Sack zumachen.«
Daniel sagte: »Ich find Wagner voll toll.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.