Ich sagte Winter, dass ich sie für höchstens 24 Jahre gehalten hätte, wäre sie mir auf der Straße begegnet.
Ihre Mine verfinsterte sich schlagartig. Die Luft wurde kälter, bis mir das Atmen schwer fiel.
Sie sagte: “Mein Körper ist der einer 18jährigen.” Jedes Wort sprach sie dabei so scharf aus, als wäre es der Inhalt eines Glascontainers nach einem Erdbeben. Die Luft die aus meinem Mund kam, fiel als Block auf die Erde um dort zu zerspringen.
Ich sagte: “Bitte entschuldigen Sie. Das war ganz und gar mein Fehler. Ich hätte es besser wissen müssen.”
Sie sagte: “Die Unterhaltung wäre wohl damit beendet.”
Ich sagte ihr, dass es mir schwer fallen würde, sobald Herbst nicht mehr da wäre, in meinem Zimmer ganz alleine zu sitzen und fragte sie, ob sie mich besuchen würde.
Sie sagte: “Also mein Junge, wenn mein Bruder sich schon herabgelassen hat Sie zu besuchen, dann muss ich das doch nicht auch noch tun.”
Die Blicke die sie mir widmete waren Laser, die durch mein Fleisch schnitten. Es hing mir am Leib hinunter und für den Moment fühlte ich mich wie ein Dönerspieß. Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, diese Frau öfter zu treffen.
Sie sagte: “Ach wissen sie, mit der Zeit wird die Arbeit einsam. Vielleicht wäre es ja tatsächlich nett, ab und an mal jemand persönlich zu quälen. Ich werde mir es überlegen.”
Eigentlich hätte man dieses Zugeständnis als ‘auftauen’ bezeichnet können, aber Winter meinte das mit der Folter absolut ernst. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass ihre Besuche nicht meiner Belustigung dienen würden.
Langsam sollte ich Raum gewinnen. Es wird schon schlimm genug, wenn sie mich besucht, dachte ich.
Sie sagte: “Sie merken sicherlich, dass sie mir zur Last fallen. Also verschwinden sie jetzt umgehend.”
Zu sehen, was sie sonst mit mir anstellen würde, dafür reichte meine Motivation einfach nicht aus. Meist konnte man mit meiner Motivation sowieso eher eine Horde Elefanten einschläfern.
Ich drehte mich um und wollte gehen. Winter sagte: “Ohne sich zu verabschieden sollte man allerdings keine Dame verlassen.”
Ich sagte brav die Worte, die sie hören wollte und entfernte mich.
Hoffentlich hatte Herbst das erreicht, was er machen wollte.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

6 Gedanken zu „Arbeit macht einsam“
      1. Ich trau mich generell nicht mehr, Alter zu schätzen, lag da schon ein paar Mal komplett daneben. Aber äußerliche Jugend ist in der Tat weit verbreitet, aber erst ab einem gewissen Alter. Jugendliche Frauen neigen dazu, allzu erwachsen auszusehen.

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