Mit Winter essen zu gehen hat etwas Surreales. Sie ist niemals mit dem zufrieden, was man ihr auftischte. Zunächst nörgelte sie am Rührei herum, schimpfte auf den Kellner, der ihr zu alten Lachs andrehen wollte und schmiss drei Brötchen zurück in den Korb, bis sie ein angemessenes gefunden hatte, welches ihre prüfenden Druckproben überstand.
Beschämt setzte ich mich und versuchte, so viel in mich zu stopfen, wie ich konnte, bis wir vermutlich rausgeschmissen werden würden.
Ich hatte gerade mein drittes Brötchen gegessen, als mir jemand auf die Schulter schlug. Überrascht wirbelte ich herum und blickte in das Gesicht eines verschollen geglaubten Freundes.
»Mann Bob, Dich sieht man ja überhaupt nicht mehr.«
Mit einem großen Schluck befreite ich meinen Mund vom Inhalt und sagte: »Mann Jochen, Du hast mir noch gefehlt.«
Winter hatte ihre Expedition in die kulinarische Welt unterbrochen und trat auf meinen Freund zu. Sie sagte: »Wir hätten gerne zwei heiße Tees – so schnell wie möglich, wenn ihre Küche so etwas überhaupt hinbekommt.«
Mein Freund wirbelte herum und sagte: »Bitte entschuldigen Sie, ich arbeite nicht hier.«
Winter lachte zynisch auf und sagte: »Noch jemand, der hier nicht arbeitet. Kein Wunder, dass hier niemand essen geht. Hier fühlen sich wahrscheinlich selbst die Kellner wie Gäste.«
Kopfschüttelnd sagte ich: »Der Laden setzt auf Selbstbedienung. Wenn Du was willst, musst Du es Dir selbst holen.«
Jochen wirbelte herum und sagte: »Du kennst diese Frau? Seid ihr zusammen oder was?«
Erneut ließ Winter ihr spitzes Lachen erklingen. Ich sagte: »Wir sind nicht zusammen, ich kenne Sie und eigentlich wollte ich nur meine Ruhe.«
Beleidigt sagte Jochen: »Wenn Du mich nicht sehen willst, kann ich auch wieder gehen.«
»Nein, bitte bleib. Mein Spruch war eher gegen Winter gerichtet, als an Dich. Es freut mich wirklich Dich zu sehen. Wie geht es Dir so?«
Winter zischte: »Haben wir wirklich Zeit für Small-Talk? Schließlich gibt es Wichtigeres zu tun, als uns mit dahergelaufenen Bekannten zu unterhalten.«
»Setzt Dich ruhig – sie meint es nicht so. Sie beißt nicht und will nur spielen.«
Beleidigt ließ sich Winter in ihren Stuhl fallen.
Ich sagte: »In der letzten Zeit hatte ich wirklich viel zu tun. Wenn ich einen Wunsch hätte, dann der, dass ich endlich mal zur Ruhe kommen könnte.«
Jochen nickte und sagte: »Geht mir genauso.«
Zu Winter gewandt sagte ich: »Siehst Du, er kann mich verstehen.«
»Dieser Langweiler nervt mich jetzt schon.«
