Winter baute sich vor der Frau auf und machte die fehlenden Zentimeter in Sachen Körpergröße durch Ausstrahlung wett. Sie schaute kurz auf die Türklingel, bevor sie der Frau in die Augen sah, und sagte »Frau Müller, wir wollten erfahren, wer ihnen das Paket gegeben hat, das mein Freund von ihrem Sohn erhalten hat.«
Die viel zu lange Frau Müller sagte: »Sie haben ein Paket erhalten?« Sie drehte sich um und rief in die Räume, die wir nicht sehen konnten: »Franziskus – wie oft habe ich Dir schon gesagt, dass wir keine Pakete für Nachbarn annehmen. Das bringt immer nur Ärger.«
Dann drehte sie sich zurück und sagte: »Bitte entschuldigen sie meinen Sohn. Eigentlich sollte er so etwas nicht annehmen. Er ist leider etwas einfältig.«
Etwas leiser sagte ich: »Eigentlich bin ich immer darüber froh, wenn man Pakete annimmt. Den größten Teil des Tages bin ich nicht zu Hause. Da ist sowas recht praktisch.«
Winter sagte: »Das spielt hier keine Rolle. Wir wollen wissen, von wem ihr Sohn Franziskus das Paket erhalten hat.«
Die Frau drehte sich erneut und rief ein paar unverständliche Silben in den Raum. Ihr antwortete eine leise Stimme. Dann sagte die Frau zu Winter: »Das Paket wurde durch eine Jugendliche gebracht. Sie hat hier gegen zwölf Uhr geklingelt.«
Winter drehte mich zu mir und sagte: »Ist es üblich, dass Pakete durch Jugendliche ausgetragen werden?«
»Normalerweise tragen nur Erwachsene etwas aus. Ab und zu plagen sich auch schon mal Jugendliche mit solchen Sachen ab, aber die Regel ist es in Deutschland definitiv nicht. In anderen Ländern ist es vielleicht anders, da tragen auch viele Jüngere aus. In diesem Land ist die Aufklärung und Bildung eigentlich recht gut.«
Winter lächelte säuerlich und sagte dann: »Deine Zweideutigkeiten kannst Du Dir sparen.«
»Das Tor war auf und musste genutzt werden.«
Winter drehte sich erneut um und sagte: »Könnte ihr Sohn die Jugendliche beschreiben?«
Erneut ein längerer Wortwechsel, bevor die Dame vor uns sagte: »Es war ein blondes Mädchen. Franziskus war zu irritiert von ihr, um noch mehr Details wahrzunehmen.«
Es kehrten ein paar Augenblicke Ruhe ein, bis die Frau vor uns sagte: »Wenn das jetzt alles wäre?«, und die Tür kurz darauf ins Schloss knallte.
Winter drehte sich zu mir um und sagte: »Du hast merkwürdige Nachbarn.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

Ein Gedanke zu „Und wieder klingelt der Postbote“

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