Nachdem ich mein Gesicht von den Rußspuren befreit und mich neu angezogen hatte – ich achtete dabei penibel darauf, dass die Tür zum Schlafzimmer abgeschlossen war, und zusätzlich schob ich einen Stuhl vor den Türgriff und hängte ein Handtuch vor das Schlüsselloch – ging ich zu Winter ins Wohnzimmer, die sich dort auf einem Sessel gegenüber der Couch niedergelassen hatte. Sie blickte mich mit einem zynischen Lächeln an und sagte: »Hattest Du ein schönes Jahr?«
Ich stöhnte und zog anschließend die Luft durch die Zähne. Dann schüttelte ich den Kopf theatralisch und starrte sie an. »Mein Jahr war eine einzige Katastrophe. Es ging von einer Hetze in die nächste. Seitdem Du nicht mehr da bist, habe ich einen Krimi gelöst, eine Liebesgeschichte fast nicht überlebt und einen Fantasy-Science Fiction Blödsinn überstanden. Ich hab jetzt wirklich kein Bock mehr auf noch mehr Schwachsinn. Es wäre nett mal auszuspannen und die Beine hochzulegen.
Das hatte ich eigentlich schon Sommer versprochen, aber Herbst musst mich, ganz davon ab, dass ich ihn ein Jahr vorher noch als Langweiler kennen gelernt hatte, direkt in eine andere Geschichte verwickeln. Mein Bedarf für solche Experimente ist auf jeden Fall gedeckt.«
»Die Explosion deutet an, dass Du nicht so schnell Ruhe bekommst.«
»Es war eine Briefbombe. Das heißt, eigentlich war es eine Paketbombe, aber sowas sagt man ja nicht.«
»Hätte man Dir ein Gift geschickt, hättest du wahrscheinlich gar nichts mitbekommen.«
»Ach jetzt weiß ich auch, was die letzten drei Briefumschläge mit weißem Puder sein sollten.«
»Ehrlich?«
»Ne war nur ein Spaß.«
Winter lächelte milde und sagte: »Siehst Du, Deinen Humor hast Du noch nicht verloren.«
»Das wäre auch noch schlimmer. Wenn der weg wäre, würde ich so lange suchen, bis ich ihn zurückhätte. So etwas verliert man nicht.«
Mit einem Kopfnicken wies Winter auf den leeren Tisch vor sich. Schnell erhob ich mich und sagte: »Was darf ich der Dame servieren?«
»Ein wenig Glühwein wäre nicht schlecht. Aber nicht dieser Billige aus dem Tetrapak. Ein Markenglühwein müsste es mindestens sein.«
Mit den Augen rollend flüsterte ich: »Wenn ich es nicht erwähnt habe – ich habe Dich wirklich kaum vermisst.«, etwas lauter fügte ich hinzu: »Vielleicht muss ich dann noch einkaufen gehen.«
Winter winkte kurz und sagte: »Zur Not tut es auch warme Milch mit Honig. Du hast doch guten Honig da?«
Fluchtartig verließ ich den Raum. Sie würde bestimmt nicht merken, wie gut der Glühwein war, wenn ich nur genügend billigen Rum dazu mischte.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.