Mit einem Nicken sagte ich: »Das könnte unser Mann sein. Wenn er das Interface genauso genutzt hat, wie wir, dann ist er vielleicht sogar hier. Wir könnten uns mit ihm unterhalten.«
»Du kannst Indisch?«
»Vielleicht brauchen wir das überhaupt gar nicht. Uhura spricht auch Deutsch! Vielleicht übernimmt das System die Übersetzung.«
»Und wie sollen wir ihn finden?«
Die Frage konnte ich nicht beantworten. Die Chance, dass man den Namen nur dreimal laut vor einem Spiegel aussprechen brauchte und er dann erscheinen müsste, tendierte gegen null. Allerdings kam es auf einen Versuch an.
Ich baute mich vor dem Fenster auf und rief »Dinu«. Dann blickte ich Herbst an und sagte: »Den Nachnamen hab ich schon wieder vergessen.«
Resigniert sagte Herbst: »Irgendwas mit Diwaraabunabi.«
Kopfschüttelnd drehte ich mich erneut zum Fenster und sagte laut »Dinu Diwaraabunab«. Dann wiederholte ich die Wörter zwei mal.
Fassungslos schaute mir Herbst dabei zu. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Was machst Du da?«
Erwartungsvoll blickte ich in das Fenster, auf dem allerdings nichts passierte.
Ich sagte: »Kennst Du nicht die Horror Geschichten über den Candyman? Wenn man Candyman dreimal vor einem Spiegel sagt, taucht der Candyman auf und tötet jeden, der seine Ruhe gestört hat.«
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Luft hinter mir flimmerte und sich irgendwas materialisierte.
Ein riesiger Mann stand im Raum. Seine Haut war so dunkel, wie Cola. Seine weißen Zähne blitzten aus seinem Mund. Er sagte: »Du hast gerufen?«
Ich sagte: »Hab ich jetzt tatsächlich den Candyman gerufen?«
Herbst nickte und sagte: »Du hast seinen Namen dreimal in das spiegelnde Fenster gesagt.«
Fragend blickte ich den Riesen an und sagte: »Weißt Du zufällig, wie wir zu Dinu kommen?«
Aus Herbst Stimme tropfte erneut Hoffnungslosigkeit, als er sagte: »Er meint Dinu Diwaraabunabi.«
Der Berg nickte und sagte mit einer unterirdisch tiefen Stimme, die an Steine erinnerte, die sich gegeneinander rieben: »Er wird erscheinen.«
Dann schwieg er.
Herbst zeigte Ungeduld: »Wann?«
Dann veränderte der Golem seine Form und wurde kleiner.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

2 Gedanken zu „Der Gott Dinu“
    1. Und standest Du vor einem Spiegel und ist er von den Toten auferstanden? Wenn nicht, kannst Du es ja mit 2Pac noch mal probieren. Vielleicht ist der East-Coast Ghost ja verfügbarer als die Typen aus dem großen Apfel? Der Letztere ist ja schon diversen Leuten erschienen.

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