Der Anführer zeigte uns, was auf den Blättern stand. Ich konnte erkennen, dass es zwei Bilder von Herbst und mir waren. Beide trugen die Überschrift ›tot oder lebendig‹ und einen Zahlenwert am unteren Rand.
Herbst sagte: »Oh toll, das müssen Fans sein.«
Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Das sind eher andere Feinde. Mal ganz davon ab, warum kann hier eigentlich niemand Deutsch sprechen, obwohl alle Texte in Deutsch geschrieben wurden? Die Lokalisierung sollte dringend überarbeitet werden. Zumindest klemmt die Sprachausgabe.«
Der Anführer zog sein Schwert aus der Schneide und richtete es auf Herbst. Der sagte: »Ich hoffe, dass er mir jetzt endlich diese blöden Fesseln durchschneidet.«
Einer der Ritter zerrte Herbst an den Haaren nach vorne.
Der Hauptmann richtete die Spitze seiner Schneide direkt zwischen die Augen meines Mitstreiters, sagte irgendetwas undeutliches und holte zum Schlag aus.
Ich schrie, so laut ich konnte, doch das Schwert sauste mit ungebremster Geschwindigkeit auf den Hals von Herbst zu. Soweit ich es beurteilen konnte, war die Wucht ausreichend um Herbst Kopf vom Körper zu trennen.
Als die Klinge die Haut berührte, fing die Umgebung plötzlich an zu flackern. Es sah so aus, als hätte man einen alten Röhrenfernseher eingeschaltet. Die Landschaft verformte sich. Alle Ritter wirkten wie eingefroren, als hätte man sie zur Konsevierung in Einmachgläser gesteckt. Einige wechselte, ohne sich zu bewegen, ihre Position. Die Löwen auf ihren Wappen schienen für einen Augenblick lebendig und kämpften miteinander.
Dann verdampfte ein Ritter nach dem anderen, bis wir alleine im Gras lagen, welches kurz danach auch verschwand. Ich merkte, wie unsere Fesseln von uns abfielen. Dann standen wir unvermittelt in einem dunklen Raum, der überirdisch beleuchtet wurde. Man konnte keine Lichtquelle erkennen, allerdings waren sowohl Herbst, wie auch meine Gesichtszüge von einem inneren Leuchten erfüllt.
Wir standen uns gegenüber und Herbst sagte: »Was war jetzt das?«
Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Ich weiß es nicht. Anscheinend war das ein Bug in der Matrix.«
Dann änderte sich unsere Umgebung abrupt erneut. Herbst hatte eine Uniform an und wir standen auf der Brücke eines Weltraumschiffes. Auf dem riesigen, wandfüllenden Monitor vor uns drehte sich ein Planet im Licht einer fernen Sonne.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

Ein Gedanke zu „Kurzschluss“

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