In meiner Jugend, wie auch etwas später im Leben, war ich Fan von Fantasy-Rollenspielen. Da ich kaum jemand fand, der mit mir fantasieren wollte, beschränkte sich die Beschäftigung meist auf einsame Abende vor den Computer oder der Konsole. Die Szene, in der ich gerade steckte, erinnerte mich an den Klassiker »The Bard’s Tale« und das Remake. Der coole Barde gewinnt darin die Herzen der Damen und besiegt am Schluss den bösen Magier.
Herbst sah in seiner Robe allerdings lächerlich unpassend aus. Wenn er wenigstens den Krieger-Mönch mit flammenden Schwert in der Hand spielen würde – so war er auf jeden Fall keine große Hilfe für eine Runde Live-Action-Role-Play. Zur Not würden wir uns darauf begnügen müssen, dass er die wilden Tiere, Monster und Mörder zum Christentum bekehrte.
Wenn dies der Anfang einer Computer-Rollenspielrunde war, dann müsste man an dieser Stelle das Tutorial starten können.
Ich erhob mich und durchsuchte unsere nähere Umgebung.
Unweit meiner Füße fand ich einen Rucksack, der halbvoll im Gras lag. In dem Ding lagen verstreut Sachen. Neben ein paar sofort sichtbare Münzen fand ich noch zwei Steckbriefe. Nachdem ich sie studiert hatte, reichte ich sie an Herbst weiter.
»Das kann nicht Dein Ernst sein. Das sieht nicht aus, wie das Papier, welches ich aus dem Mittelalter kenne. Dies hier ist sogar gebleicht.«
Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Schau doch lieber mal, was drauf steht.«
»Augustinus – Fahrender Mönch – Gesucht wegen schweren Betrugs«
Herbst blätterte eine Seite weiter und las laut: »Bob der Barde – Barde – Gesucht wegen Falschspiels«.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Ein Barde, der wegen Falschspiel gesucht wurde! Irgendwer hatte viel Spaß an der Sache.
Herbst blickte mich kritisch an und schüttelte erneut den Kopf. »Das ist mit Abstand das Blödestes, was ich je gemacht habe.«
Ich ließ meine Hand auf seine Schulter fallen, was dazu führte, dass er zusammenzuckte, und sagte: »Du wolltest Dich darauf einlassen. Mir scheint, dass es ziemlich lustig werden kann.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

4 Gedanken zu „Kapitel 3: Billige Rollen“

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