Im Treppenhaus fehlte die Beleuchtung. Wahrscheinlich war hier für die notwendige Renovierung das Geld ausgegangen oder der Hausmeister wagt sich einfach nicht mehr in diesen Teil des Gebäudes. Soweit man mir mal erzählte, sind die Fundamente nicht mehr die Verlässlichsten.
Herbst nahm die Treppe nach unten, was mich erstarren ließ.
Ich sagte: »Du willst nach da unten? Sind die Büros und Laboratorien des Lehrpersonals und der Studenten nicht weiter oben?«
Er stand schon am unteren Ende der Treppe, als er sich umdrehte und sagte: »Wir wollen zu keinem Typen oben. Wir wollen nach unten.«
»Bisher war ich noch nie hier unten. Das Tunnelsystem ist sehr verwirrend und verbindet alle Gebäude.«
»Sei keine Memme. Wir müssen nach unten.«
Herbst drehte sich wieder um und war verschwunden.
Das hatte ich ihm nicht zugetraut. Er hatte sich verändert oder er war einfach anders, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Hier unten wirkte er so deplatziert, wie ein Flamingo auf einer Beerdigung. Die makellose Kleidung im Kontrast zu den dreckigen, unverputzten Wänden – ich musste einfach herausfinden, was er hier wollte.
Der Gang unten war spärlich durch Neonröhren beleuchtet, von denen nur jede dritte funktionierte. Hinter den Türen, an denen ich vorbeieilte, hörte ich mechanisches Stampfen und Zischen. Die Uni war zwar alt, aber ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie von Dampfmaschinen angetrieben wurde. Diese Antriebsenergie würde allerdings das Wesen einiger obskurer Professoren erklären.
Wir bogen insgesamt vier oder fünf Mal im rechten Winkel ab und ich erwartete, bald an den Punkt zu gelangen, an dem wir unsere Odyssee angefangen hatten, was allerdings nicht passierte, als Herbst langsamer wurde.
Er blickte mich an und legte den rechten Zeigefinger an seine Lippen. Das Symbol war unmissverständlich, allerdings vollständig sinnlos. Hier unten herrschte ein solcher permanenter Lärm, dass man sein eigenes Wort nicht verstand. Warum man zusätzlich leise seien sollte, entzog sich meiner Logik.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

2 Gedanken zu „In den Keller“

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