Winter schwebte in den Raum. Sie hatte eine helle Kombination an, die sie umgab wie Schnee.
Vor der weißen Bürowand bot sie reichlich wenig Kontrast.
Sie sagte: »Wenn man das halbe Jahr in seiner Bude rumlungert, bekommt man miese Laune.«
Ich sage: »Wenn man zu lange mit Dir spricht, scheint das ähnliche Effekte auszulösen.«
Winter ignorierte meine Worte und lamentierte weiter. Sie ließ die die Zunge schnalzen und sagte: »Wenn nicht regelmäßig Zeugen Jehovas vorbeikommen, hätten man gar keinen Besuch.«
Ich sagte: »Ich möchte mich hier eigentlich nicht über andere Religionsgemeinschaften unterhalten. Eigentlich sind alle Leute, die ich kennengelernt habe, mit einem anderen Glauben als meinen, immer recht nett gewesen. Man muss ihnen nur die Chance geben, sie kennenzulernen.«
Winter sagte: »Ach bitte, Du willst mir doch wohl nicht weißmachen, dass Dir der Glauben von anderen egal ist.«
Ich sagte: »Ich würde es anders sagen. Mir sind die Menschen wichtig. Ihre Religion ist mir egal.
Ich habe schon Hindus kennengelernt, die freundlich und aufgeschlossen waren. Genauso wie Moslems und Leute aus allen möglichen christlichen Schattierungen. Die meisten von ihnen waren sehr angenehme Gesprächspartner. Ich habe mich gerne mit ihnen unterhalten.«
Winter schluckte. Sie sah überhaupt gar nicht begeistert aus. Sie sagte: »Aber der Islam ist doch so streitbar.«
Ich sagte: »Die meisten Moslems sind sehr ruhig und leben sehr friedlich. Sie sagen, dass der Terrorismus keinen Platz in ihrem Glauben hat.«
Winter schnalze erneut mit der Zunge. Sie sagte: »Natürlich gehört der Terror dazu.«
Ich sagte: »Es gibt genügend Christen, die ebenfalls vernarrte Idioten sind und Bomben werfen. Gehört das zum Christentum?«
Winter sagte: »Natürlich nicht. Das Christentum ist friedlich.«
Ich sagte: »Das sag mal bitte allen Opfern des 30-jährigen Kriegs und der Kreuzzüge.«
Winter sagte: »Negative Beispiele gibt es immer.«
Ich sagte: »Komisch, das ist doch genau das, was ich dir sagen wollte. Die Terroristen sind nur die Ausnahmen der Regel.«
Winter drehte sich auf dem Fleck um und ging.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

Ein Gedanke zu „Anders glauben“
  1. Erstaunlich, wie engstirnig Winter ist. Hätte sie nicht so eingeschätzt, dass sie derartige Vorurteile gegenüber dem Islam hat. Aber entspricht leider den weit verbreiteten Ansichten in diesem Land.

Kommentare sind geschlossen.