Ich trat einen Schritt näher auf die fette Dame zu und räusperte mich. Im Fernsehen an der Wand lief »Berlin Tag und Nacht«. Der Klang der Dolby-Surround Anlage schluckte mein Räuspern, wie ein See eine Büroklammer.
Nacht blickte wie gebannt auf die Mattscheibe, währen sie sich Chips in den Mund schob.
Mein Räuspern wurde etwas lauter. Bisher habe ich bei dieser Art von Fernsehen immer weggeschaltet. Gefälschte Banalitäten anzuschauen gefällt mir weniger, als meine Hemden zu bügeln. Das eine davon muss ich zwangsläufig regelmäßig machen, das andere vermeide ich grundsätzlich.
Die wenigen Worte, die ich von der Sendung hörte, reichten mir, um meine Entscheidung nicht zu bereuen.
Ich sagte: »Hallo. Wir sind hier um eine Frage zu einem bestimmten Edelstein zu stellen.«
Nachts Hand mit der Fernbedienung zeigte auf einmal auf den Fernseher und das Bild fror ein. Sie blickte zu Frühling und sagte: »Frühling, meine Lieblings-Nichte. Wie geht es Dir?«
Frühling lachte schallend und sagte: »Es ist auch gut, Dich mal wiederzusehen. Wann haben wir uns das letzte Mal getroffen?«
Nacht sagte: »Das ist schon eine Weile her. Ich kann mich kaum noch daran erinnern.«
Frühling sagte: »Zu der Zeit warst Du auf jeden Fall wesentlich schlanker.«
Nacht sagte: »Ich nehme gerade wieder ab. Du kennst das ja. Im Moment bekämpfe ich gerade den Winterspeck. Du hättest mich mal um Weihnachten sehen sollen. Da war ich rund wie ein Luftballon. Der Winterspeck ist weg – ich habe jetzt nur noch Frühlingsrollen.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

6 Gedanken zu „Abnehmend“
  1. Im Zuge meines Projekts „Mehr Applaus wagen“ … Frühlingsrollen! Schön. 🙂
    Und
    „Nachts Hand mit der Fernbedienung“ find ich super. Das hat was von Dada-Sprachkunst.

  2. Gefälschte Banalitäten anzuschauen gefällt mir weniger, als meine Hemden zu bügeln. Das eine davon muss ich zwangsläufig regelmäßig machen, das andere vermeide ich grundsätzlich.

    Ach… du bügelst deine Hemden nicht? *didum*

    1. Die liegen auf einem riesigen Berg im Schlafzimmer. Der Berg davon ist von meiner Frau + der meiner Töchter.
      Alle zwei Monate wird gebügelt. Sie ihr Zeug, ich meine Hemden. Den Berg meiner Töchter teilen wir uns.
      Glaub mir, an dem Tag sind wir beide nicht glücklich.
      😉

        1. Na ich wollte jetzt kein Mitleid erregen. Sind ja selbst schuld. Könnten ja sofort bügeln, anstelle darauf zu warten, dass keine Hemden mehr im Schrank sind und der Berg uns fast im Schlaf unter sich begräbt und uns damit zu ersticken droht. 😉

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