Frühling riss die Haustür auf. Ich zog, knapp hinter ihr stehend, beide Augenbrauen auf. Dann sagte ich: »Normalerweise klingelt man doch an?«
Frühling sagte: »Ich hab die Elektroschocker nicht dabei. Außerdem sind Tag und Nacht immer daheim und meist nicht auf Späße eingestellt.«
Ich sagte: »Du meinst, tags und nachts ist immer jemand da?«
Frühling sagte: »Komm rein und lass uns hier nicht philosophieren. Du sprichst doch schließlich auch von die Winter und die Frühling. Wer keine Grammatik kann, darf sich Spitzfindigkeiten gerne verkneifen. Denk immer dran, bei Dir heißt es nicht: ‚Als Ich aus dem Fenster sah, graute der Morgen‘, sondern es heißt: ‚graute dem Morgen’…«
Ich sagte: »Mein Fehler war nur, die Jahreszeiten zu personalisieren. Ihr Geschlecht ergab sich aus ihren Eigenschaften.«
Frühling sah mich sauer an und sagte: »Für Dich sind Kälte und Wechselhaftigkeit also feminine Charakteristika?«
Ich sagte: »Wenn Du es so sagst, klingt es sexistisch.«
Frühling lachte und sagte: »Das ist auf jeden Fall gender-technisch arg bedenklich.«
Ich sagte: »Drücken wir es doch positiv aus: Coolness und hohe Flexibilität. Das sind definitiv tolle und bei mir weibliche Werte.«
Frühling sagte: »Mit einer solchen Flexibilität und Coolness bei der Verdrehung der Tatsachen könntest Du Unternehmenssprecher werden.«
Ich sagte: »Dazu sollte ich wohl erst einmal meine Grammatik in Ordnung bringen.«
Frühling nickte und sagte: »Wollen wir jetzt reingehen und Tag und Nacht treffen?«
Aus reiner Gewohnheit fragte ich: »Womit treffen?«
Frühling sagte: »Mit einem tadellosen Benehmen und einer kleinen Prise Humor. Das können die beiden gerad noch verkraften.«
