Der Verkäuferin glitzerte eine Träne am Rand ihrer Augen, die sie mit einem Tempo unbeholfen wegwischte. Dann sagte sie: »Mein Vater erzählte immer wieder von diesem Raub.
Eigentlich nicht unbedingt von dem Raub, sonder über diesen merkwürdigen Stein und seinem Auftauchen.
Der Stein erschien zwei Tage vor dem Raub. Mein Vater konnte sich nie erklären, wo er hergekommen war. Er war einfach da und mein Vater wusste instinktiv, was er mit ihm anfangen musste.
Als ich klein war, war es seine Gutennachtgeschichte und als ich älter wurde, schmückte er sie mit immer neuen Details aus.
Der Stein soll ihm zuvor erschienen sein. Es war wie eine Eingebung – wie das Wort Gottes.«
Die Dame schnäuzte sich dezent die Nase, dabei wendete sie sich leicht von uns ab.
Leise sagte ich zu Frühling: »Müssen wir Gott jetzt auf die Liste der Verdächtigen packen?«
Frühling sagte: »Ich freue mich darauf, wenn Du ihn verhaftest. Das könnte etwas umständlich werden.«
Ich sagte: »Es gibt einen Gott?«
Frühling sagte: »Keine Ahnung. Gerade das macht seine Ergreifung ja so spannend.«
Die Dame hinter der Vitrine sagte: »Er wusste, dass er eine Fassung für einen Anhänger für den Stein machen musste. Die Fassung selbst sollte aus Titan sein.
Als er die Fassung gerade fertig hatte und den Stein einsetzten wollte, kamen die Räuber in den Laden.
Mein Vater war sich sicher, dass es die Räuber damals nur auf den Stein abgesehen hatten.«
Ich sagte: »Was war das für ein Stein?«
Sie sagte: »Mein Vater kannte das Material nicht. Er sagte, er hätte in seinem ganzen Leben keinen zweiten davon gesehen und nie etwas, was vergleichbar schön wäre.«
Ich sagte: »Haben sie die Fassung noch und können wir sie sehen?«
Die Verkäuferin sagte: »Mein Vater trug die Fassung an einer Ketter, sein gesamtes Leben. Ich habe sie hinten im Laden, wenn sie sich etwas gedulden, hole ich sie.«
Wir nickten und die Damen drehte sich um.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

6 Gedanken zu „Der Stein“
  1. Sehr geehrter Herr SackingBob
    Als strenggläubiger Katholik werde Ich diese plasphemische Geschichte nicht auf sich beruhen lassen Ich habe vor den Fall der „Heiligen Glaubenskongregation “ in Rom zu übermittelt
    und hoffe somit das Ihrer schwarzen Kunst das Handwerk bald gelegt wird.
    Es sei denn Sie schenken dem „Weißen Ring“ oder den Müttern der Kinder von
    zölibatär lebenden Priestern eine angemessene Spende dann wäre der Fall meinerseits
    abgklärt
    Hochachtungsvoll
    Hochwürden
    Als Kleriker anonym versteht sich

    1. Oh cool ein Sündenablass? Das hatten wir ja schon lange nicht mehr. Allerdings glaub ich nicht, dass die katholische Kirche sowas noch einmal macht. Die Konsequenzen aus dem ersten Versuch waren doch etwas heikel. Wobei die Menschheit aus der Geschichte nie etwas gelernt hat. Aus dem Grund wäre eine neuer Versuch sicherlich angebracht.
      Lässt Du mit Dir handeln?
      Gruß,
      Sebastian

      1. Selbstverständlich Herr Sebastian von und zu Alexander
        Wie sich unter Gleichgesinnten versteht und ziemt
        Schließlich haben Wir ja auch so manches Geheimnis
        Und unter Freunden findet sich immer eine für beide Teile
        „Teile und herrsche“ ähem befriedigende Lösung nicht wahr
        In diesem Sinne vergessen Wir die Sache so als wär Sie nie geschehen
        Die Absolution ist Ihnen absolut gnädigst gewährt
        Durchlaucht Hochwürden
        i A. IHS Bruder H.J.A.
        Post scriptum: Leider lernte die Menschheit durchaus aus dem schützenden Pferch des Schoßes der Kirche über das Gatter zu springen schwarze Schafe und Böcke natürlich
        um mit den freien Wölfen zu heulen Hoffentlich kommt der Jäger bald um den sittenverderbten Umtriebigkeiten ein gebührendes Ende zu setzen

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