Wir gingen gemeinsam aufs Zimmer, um uns umzuziehen. Das Mittagessen würde zwar erst in einer halben Stunde anfang, allerdings konnten wir uns auch mit anderen Sachen die Zeit vertreiben. Das war zumindest die Meinung der Heimleitung.
Als ich die Sportsachen ausgezogen hatte, kam Boris in unserer Zimmer. Er legte seine Hand auf meinen Arm. So leise er konnte, sagte er: »Bitte warte, bis die Anderen weg sind. Ich muss mit Dir reden.«
Daniel und Jörg drängten uns, mit ihnen in das Sportzimmer zu kommen. Sie wollten unbedingt eine Partie Tischtennis spielen.
Heiko folgte ihnen, nachdem Boris und ich ihnen versprachen, schnellstmöglich nachzukommen.
Boris setzte sich auf mein Bett. Ich setzte mich neben ihn.
»Ich war während des Fußballspiels im Zimmer der Heimleitung. Wir hatten das mit Anja abgesprochen. Sie sollte die Leute ablenken, damit ich mich umsehen konnte.«
Ich schnappte nach Luft. Anja hatte Julia und mich also mit Absicht gefoult. Es ging nur um eine Ablenkung.
Ich fragte: »Hast Du den Schlüssel?«
»Entweder trägt er ihn bei sich oder er hat ihn so perfekt versteckt, dass ich ihn nicht finde. Auf jeden Fall war meine Suche erfolglos.«
»Anja hat also völlig umsonst versucht, mir das Bein zu brechen?«
»Sie weiß, was sie macht. Das war auch so abgesprochen.«
»Und Du hieltst es nicht für nötig, mich einzuweihen?«
»Du warst viel zu spät. Fast wärst Du gar nicht zum Fußball gegangen. Wo warst Du überhaupt?«
»Ich habe mich mit Julia unterhalten.«
»Der Verräterin?«
»Sie hat uns nicht verraten. Anja hat sie nicht wachgemacht. Julia hat die gesamte Nacht durchgeschlafen. Deshalb hat sie mich auch heute sofort gefragt, was überhaupt geschehen ist.«
»Das hätte Jeder gemacht. Selbst derjenige, der mit seiner Schuld leben muss. Eine Frage macht einen nicht weniger verdächtig.«
»Ich glaube ihr aber. Sie will uns helfen.«
»Du bist völlig geblendet von ihr. Eine objektive Meinung in der Hinsicht kann man sich von Dir nicht erhoffen.«
»Du musst mir einfach glauben, dass sie uns nicht verraten hat.«
»Wer war es dann?«
»Wir hatten uns gestern Abend am Tisch unterhalten. Vielleicht hat ein Anderer beim Essen unsere Unterhaltung belauscht. Vielleicht war es sogar Siegfried selbst.«
»Dagegen spricht, dass die Beiden so schlecht angezogen waren. Hätten sie etwas von unsere Nachtwanderung geahnt, hätten sie sie schon vor der Tür beendet. Sie wirkten, als hätte man sie mitten in der Nacht aus dem Bett geholt.
Außerdem wussten sie wenig über den Zweck unseres Ausflugs.«
»Julia hatte ich gesagt, dass wir das Gold wollen. Wir brauchen es, damit Deine Eltern ihre Schulden abbezahlen können. Das war zumindest die Geschichte, die ich ihr erzählt habe.«
Ich überlegte kurz. »Siegfried wusste nichts von dem Gold. Dann wird es Julia nicht gewesen sein. Sie hätte ihm auf jeden Fall davon erzählt.«
Wir blickten uns an und schwiegen.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.