Als wir ins Zimmer kamen, schlief Heiko. Er bekam noch nicht einmal mit, als wir das Licht anschalteten, um uns umzuziehen. Boris ging zu ihm. Er lehnte sich über ihn und rüttelte an seinen Schultern. Dann flüsterte ihm etwas in die Ohren.
Als Heiko keine Reaktion zeigte, drehte sich Boris zu uns. »Er schläft. Er war es also nicht, der uns verraten hat.«
Er schüttelte den Kopf. »Es bleibt also nur noch eine Person. Wir wissen alle, wer es war.«
Sein Blick wanderte zu mir. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen und er schnaubte abfällig.
Meine Stimme zitterte. »Ich habe uns nicht verraten. Warum sollte ich das machen? Ich hätte mir genauso viel geschadet, wie euch.«
»Du warst es nicht persönlich. Du hast Julia vom Plan erzählt. Sie hat die Heimleitung alarmiert. Hättest Du Deine Klappe gehalten, würden wir jetzt in Gold baden.«
Daniel schniefte. Er wischte seine Nase mit seinem Ärmel ab. Mit feuchten Augen blickte er Boris an. »Es war Dein Plan. Du hast uns da raus gelockt. Wegen Dir haben wir jetzt Probleme.«
Boris fuhr zu ihm herum. »Du hättest nicht mitkommen brauchen. Ich habe Dich nicht gezwungen.«
Jörg stöhnte. »Du hast uns eine tolle Geschichte erzählt. Wir wollten das Abenteuer. Der Preis, den wir dafür zahlen werden, ist zu hoch. Was sollen wir jetzt unseren Eltern sagen?«
Ich blickte ihn an. Bisher hatte ich gar nicht an meinen Onkel gedacht. Was würde er zu meinen Taten sagen? Würde er sauer werden?
Ich schluckte den Kloß herunter, der meine Kehle zuschnürte. Mein Magen war flau. Mir wurde schwindelig.
Schnell setzte ich mich aufs Bett.
Boris ging auf Daniel und Jörg zu, bis er nur noch wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt stand. »Ihr hättet einfach weiterrennen können. Wir hätten nicht auf die Aufpasser reagieren müssen.«
Ich schüttelt den Kopf. »Was denkst Du Dir? Wir müssen immer noch auf sie hören. Sie sind hier, um auf uns aufzupassen.«
»Sie sind nicht unsere Wächter. Wir sind hier nicht im Knast.«
»Wir sind hier auf einer Kinderfreizeit und müssen uns an Regeln halten. Ich hatte Dir sofort gesagt, dass wir auf die Nacht zu Sonntag warten sollten. Dann hätten wir wenigstens eine gute Ausrede gehabt.«
Boris drehte sich zu mir. »Er hat den Schlüssel. Wie sollen wir jetzt die Tür öffnen?«
»Du wirst warten müssen, bis er ihn Dir wieder zurückgibt.«
Jörg schwang sich auf das Bett über Heiko. »Wir sollten jetzt schlafen.«
Boris hatte seine Stimme nicht mehr im Griff. »Meinst Du, ich könnte jetzt schlafen? Ich brauchte Monate, bis ich den Plan erarbeitet hatte. Meine Zeit läuft ab.«
Daniel legte sich in das Einzelbett. Er sah nicht so aus, als wäre ihm noch nach einer Unterhaltung.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.