Ein paar Schritte in den Gang und ich konnte meine Hand nicht mehr vor den Augen sehen. »Es hat keinen Sinn. Wir müssen uns Licht besorgen.«
Anja schnalzte mit der Zunge. Ich konnte sie nicht mehr sehen, sie allerdings noch in der Nähe spüren. 
Die Luft roch muffig. Irgendetwas gurgelte in weiter Ferne. Die Luft im Gang war kühl.
»Wenn Du Angst hast, dann warte draußen.« Anja war ein paar Schritte weiter gegangen.
»Du kannst doch auch nichts sehen.«
»Ihr Jungs seit Angsthasen. Renn doch zu Mami oder noch besser zu Deinem Onkel, wenn Du es im Dunklen nicht aushältst. Frag ihn gleich, ob er eine Taschenlampe bringt. Das würde uns die Suche erleichtern.«
Ich drehte mich um und ging die paar Schritte zum Ausgang. In dieser Laune würde ich Anja nicht überzeugen können. Sie hatte diese überhebliche Selbstsicherheit in ihrer Stimme, die sie taub gegenüber guter Argumente werden ließ.
Ich stand vor den Büschen und lugte vorsichtig heraus. Hoffentlich war in der Zwischenzeit kein Beobachter eingetroffen.
Meine Haut kribbelte. Mit jeder Minute, die Anja im Gang verbrachte, wurde das Gefühl stärker.
Wenn sie im Dunkeln stürzte, sich verletzte, würde ich sie alleine retten können? Wie sollte ich erklären, wie wir die Tür öffnen konnten? Sollte ich dann zunächst Boris holen?
Ich traute mich nicht, in den dunklen Gang hinein, nach ihr zu rufen. Vielleicht hörte man meine Stimme im Wald. Wenn ich Glück hätte, würde das nur die Sucher herbeilocken. Wenn ich Pech hatte, würden die Betreuer erscheinen, die bei diesem Geländespiel mitmachten.
Eine Uhr hatte ich nicht. Ich mochte Armbanduhren einfach nicht. Sie machten mich wahnsinnig. Jetzt hätte ich eine gebraucht.
Wie viele Minuten war Anja schon da drin? Was machte sie dort?
Ich fing zu schwitzen an, obwohl das Wetter frühlingshaft kühl war.
Mit ein paar Schritten stand ich an der Tür. Mit möglichst leiser Stimme rief ich: »Anja?«
Die Antwort ließ mich zurückfahren. Sie trat genau in dem Moment aus den Schatten, als ich meinen Kopf ins Dunkle schob.
Ihr Gesicht zeigte ein breites Grinsen. In der Hand hielt sie einen größeren Stein. Zunächst dachte ich, sie wäre wahnsinnig geworden. Dann erhob sie den Stein ans Licht und das Ding reflektierte die Sonne. Der Schimmer, den der quadratisch geformte Block hatte, war golden.
»Es ist da!«, sagte Anja. »Es ist alles noch da. Wir haben es gefunden.«
Ein Glücksgefühl durchströmte mich. Die Suche war ein voller Erfolg. Hier im Tunnel lag Gold. Ich konnte unser Glück gar nicht fassen.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.