Es war, als hätten Anja und Boris sich gesucht und gefunden. Sie plauderten den gesamten Nachmittag bis zum Schlafengehen miteinander. Dabei besprachen sie ein so breites Themenspektrum, dass einem vom Zuhören schwindelig wurde.
Ich rieb mir in der Zwischenzeit die Wunden. Außerdem bewunderte ich unauffällig Julia. Das Gespräch von Anja und Boris interessierte mich nicht.
Julia war beim Handwerken mit Daniel in einer Gruppe. Der hatte fast die gesamte Arbeit an sich gerissen. Am Ende hielt er strahlend ein dreistöckiges Ungetüm in die Höhe.
Unser Produkt war eher ein lächerliches Floß, mit gefährlich hervortretenden Nägeln und schlecht geleimten Brettern. Die Seetüchtigkeit war arg zu bezweifeln. Wahrscheinlich wäre Noa mit unserem Modell schon vor Anbruch der Sintflut auf dem Trockenen  gekentert. Zumindest hätte das Aussehen der Arche alle Tiere verscheucht.
Jörg, der eine Gruppe mit Heiko und Hanna gebildet hatte, war ebenso erfolgreich, wie sein Bruder.
Ich neige nicht zur Eifersucht, die bewunderten Blicke von Julia in Richtung Daniel und Jörg machten mich trotzdem wütend. Heiko sah man an, dass er unglücklich war. Er kauerte auf seinem Stuhl und hatte augenscheinlich Angst, dass irgendjemand ihn bemerkte. Der Vergleich mit einer Schildkröte brannte sich in mein Gehirn. Sein Kopf blickte die gesamte Zeit in Sarahs Richtung. Sie schien der Nordpol seiner Kompassnadel zu sein.
Beim Abendessen wurde Boris so laut, dass ich seine Worte nicht länger ignorieren konnte. Er versicherte uns, dass das Wetter morgen besser sein würde. Er sagte, dass man das gut an der Wolkenbildung erkennen könne.
»Welche Wolkenbildung?«, fragte ich.
»Wenn man einen Satellit im Orbit hat, kann man die Wetterentwicklung für den nächsten Tag recht präzise vorhersehen. Im Moment nähert sich ein Hoch aus dem Westen, welches uns ein paar sonnige Tage bringen sollte.«
»Du klingst so, wie die Jungs im Fernsehen.«, sagte Anja.
Ich nahm einen Bissen von meinem Brot und sagte: »Die gesamte Situation erinnert mich eher an einen Videofilm.«
»Es muss eine tragische Komödie mit Antiheld sein, wenn Du mitspielst.«, sagte Anja.
»Vielleicht bekommt er für seine Leistungen noch den Oskar. Die Slapstick beim Heimwerken waren auf jeden Fall genial.« Boris lachte herzhaft.
»Ich meine natürlich die Geschichte mit dem Raumschiff erinnert mich an E.T.«
Boris blickte mich fragend an. »Was hat der Jesus-Film jetzt damit zu tun?«
»Was meinst Du jetzt damit?«
»Na denk einmal über die Handlung nach. Ein Außerirdischer kommt in einem Stall auf die Erde. Er will andauernd mit seinem Vater sprechen. Er heilt die Menschen, wird von der Obrigkeit gefangen genommen, stirbt und steht nach drei Tagen wieder auf, nur um anschließend zum Himmel aufzufahren. Wenn die Geschichte nicht geklaut ist, weiß ich nicht, wie deutlich man es noch machen muss.«
»Wenn Du es so zusammenfasst, ergibt es sogar einen Sinn. Ich meinte allerdings Deine Uhr, mit der Du nach Hause telefonieren kannst.«
»Denken wir lieber darüber nach, wie wir das Gold bekommen.«, sagte Boris.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.