Jörg kam keuchend neben uns zu stehen. Er sagte: »Ihr habt es ja doch alleine geschafft.« Er strich seine Haare aus dem Gesicht und grinste. Sein T-Shirt klebte an ihm. Ich roch seinen Schweiß.
Mit einem Nicken zur Fahne, sagte Boris: »Du anscheinend auch. Wir sollten das Ding schleunigst zum Ziel bringen, bevor wir noch mehr Kämpfe bestehen müssen.«
Ich schaute immer noch betreten auf Julia hinab. Erst nachdem ich mich gesammelt hatte, reichte ich ihr meine Hand. Sie schüttelte den Kopf und blitzte mich böse an.
»Es war nicht meine Schuld.«, murmelte ich.
»Du hast mich umgeworfen.« Ihre Stimme klang vorwurfsvoll. Ihre Kleidung war verdreckt. Selbst ihr bisher makelloses Gesicht hatte etwas Matsche abbekommen. Ich schluckte.
An meinem Arm ziehend sagte Boris: »Wir haben jetzt Wichtigeres zu tun, als die Schuldfrage zu klären. Soll sie doch die Polizei holen, wir werden jetzt gewinnen.«
Am anderen Arm wurde ich von Jörg gepackt. Ich gab nach. Wir Drei setzten uns in Bewegung.
Der Boden matschte unter unseren Schritten. Ein paar Kinder trabten traurig durch den Wald zurück zum Treffpunkt. Sie hatten ihre Bänder verloren. Mit hängenden Köpfen sahen sie nur kurz zu uns hoch.
Wir waren vielleicht noch 200 Meter vom Heim entfernt, als drei Personen hinter Bäumen hervorsprang.
Unter ihnen waren Daniel und Anja, die mit erhobenen Armen auf uns zu rannten. Sie steuerten direkt auf Jörg. Anscheinend hatten sie die Fahne gesehen.
Jörg blieb kurz stehen. Er stoppte Boris mit einer ausgestreckten Hand. Hinter seinem Rückem reichte er ihm die Fahne und flüsterte: »Nimmt das Ding und bringt sie zum Ziel. Ich halt die hier auf.«
Jörg tat so, als würde er sich etwas in seine hintere Hosentasche stecken. Dann stellte er sich der Meute entgegen, während Boris und ich an den drei Angreifern vorbeirannten. Der Typ, den ich nicht kannte, blieb stehen und schaute irritiert, während Daniel sich nicht aufhalten ließ. Er war sich sicher, dass Jörg die Fahne hatte. Ich sah den Ehrgeiz in seinem Blick.
Anja war am Weitesten von uns entfernt. Wir waren schon ein Stück entfernt und glaubten uns in Sicherheit, als Boris keuchte: »Sie kommt hinter uns her.« Ich begriff sofort, dass er Anja meinte.
Ich versuchte, so schnell wie möglich zu rennen, bis mir die Luft in der Lunge brannte und mein Bauch zu stechen anfing. Boris war tatsächlich etwas schneller als ich.
Ich hörte sie aufholen. Sie klang wie ein Sportwagen, der mich erfassen würde. Als ich nach hinten blickte, war sie nur wenige Schritte von mir entfernt.
Die Baumreihen wurden lichter und ich konnte die Umrisse des grauen Kastens vor mir auftauchen sehen. Noch ein paar Meter und wir wären in Sicherheit. Anja schrie vor Zorn laut auf. Boris war einige Meter vor mir.
Der Weg wurde ein Stück breiter und die letzten Bäume tauchten auf. Ab hier ging der Wald in eine Wiese über. Ich konnte Siegfried schon sehen, der uns winkte.
Siegessicher erhob ich die Hände und wurde umgeworfen. Anja hatte sich auf mich gestürzt. Ich fühlte ihre Arme auf meinem Rücken und fiel nach vorne.
Mein Gesicht landete in einer Pfütze. Anja setzte sich auf mich. Sie versuchte, mich umzudrehen. Dabei bohrten sich ihre Fingernägel unter meine Haut.
Ihre Hand drang in mein Fleisch und ich merkte, wie sich blutige Striemen bildeten. Als sie mich umgedreht hatte, fuhr sie mit ihren Krallen durch mein Gesicht.
Ein schriller Pfiff ertönte und Siegfried rief: »Wir haben ein Gewinner.«
Anja zischte: »Und ich weiß, wer es nicht ist.«
