Wir verließen um kurz vor sieben zusammen unseren Raum. Es waren nur noch wenige Minuten bi zumAbendessen.
Ich blieb in Boris Nähe, der mir von allen anderen Kindern der Normalste erschien. Als wir uns an die Tische setzten, drängelte sich Anja auf den Stuhl mir gegenüber.
»Hast Du schon neue Freunde gefunden?«
Mit einem Kopfnicken deutete ich zu Boris. »Einen potentiellen Kandidaten habe ich. Darf ich Dir Boris vorstellen?«
Nachdem sich die beiden bekannt gemacht hatten, sagte ich zu Anja: »Wie sieht es mit Dir aus?«
Mit einem Lachen sagte sie: »Hier sind definitiv zu viele Zombies. Die Mädel in meinem Zimmer mussten tatsächlich erst einmal zusammen beten. Zum Glück waren sie so abgelenkt, dass ich mir das beste Bett schnappen konnte.«
Ein engelsgleiches Geschöpf setzte sich neben Anja. Sie hatte lange schwarze Haare, weiße Haut mit Sommerspossen. Ich blickte in ihre blaue Augen.
Anja sagte: »Du kannst den Mund schließen. Das ist Julia. Sie ist bei mir untergebracht.«
Boris sagte: »Das mit den Zombies kann ich nur bestätigen. Ich frage mich immer noch, warum ich unbedingt diese Freizeit auswählen musste. Das bringt doch gar nichts. Dabei hatte ich so große Hoffnungen.«
Ich konnte meinen Blick nicht von Julia lösen. Er heftete an ihr, wie eine Gurkenscheibe an einem Fenster. Sie sah mich lächelnd an und sagte: »Hallo.«
Sämtliches Blut schoss in meinen Kopf und meine Zunge fühlte sich so trocken an, als hätte ich einen Löffel voll Zimt im Mund. Ich stammelte etwas, was evtl. »Hi« gewesen sein konnte. Sicher war ich mir allerdings nicht.
Anja sagte: »Du benimmst Dich wie ein Höhlenmensch.«
»Eigentlich hatte ich gedacht, dass er auch zu diesen selenlosen Jesus-Spinnern gehört. Sein Pulli gibt ein eindeutiges Zeichen. Wer schreibt schon: ›Jesus liebt Dich mehr als jeder Teddy-Bär‹ auf seinen Körper?«
»Den haben ihm seine Eltern aufgezwängt. Er selbst ist allerdings nicht viel cooler.«
Mir wurde auf einmal bewusst, dass ich den Pulli nicht gewechselt hatte, obwohl ich das doch vorgehabt hatte. In mir machte sich ein Gefühl von Panik breit.
Mit einem verlegenen Blick auf mich sagte Julia: »Mir gefällt Dein Pulli. Er sagt so viel über Dich aus. Du scheinst Jesus treu zu folgen.«
In diesem Augenblick wäre ich gerne im Boden versunken. Ich lächelte krampfhaft und sagte: »Danke.«
Mit einem schmerzhaften Tritt gegen mein Schienbein brachte mich Anja in die Realität zurück. Sie sah mich an und sagte: »Können wir uns jetzt bitte unterhalten?«
Ich blickte kurz zurück zu Julia, die mich immer noch anlächelte und dann auf Anja, die ihre Zahnspange kurz aufblitzen ließ und sagte: »Ich weiß nicht. Worüber würdest Du Dich denn gerne unterhalten?«
In diesem Augenblick kamen Herrn Berkowitz und Herr Helm in das Zimmer.
