Um den Glühwein zu erwärmen, blieb mir nur die Mikrowelle. Dieselbe klang komisch laut, ratterte mechanisch und ich wartete vorsichtshalber in einem gebührlichen Abstand, kurz nach dem zerstörten Herd.
Winter rief aus dem Wohnzimmer: »Ich hab das Jahr sehr locker angehen lassen.«
Irgendwie war ich nicht scharf darauf, ein paar ereignislose Darstellungen über mich ergehen zu lassen. Allerdings gebietet es mir meine Höflichkeit, einer Schilderung von Lappalien zu lauschen, selbst wenn einem dabei alle Körperteile einschlafen. Schließlich hatte Winter zuvor gefragt, wie es mir ergangen war, und hatte ebenfalls zugehört.
»Ich hab mich zunächst ein paar Monate in meine Wohnung verkrochen und hab viel gelesen. Du hattest mir ja einige Bücher empfohlen, die ich aufarbeiten musste.«
»Mochtest Du sie?«
»Keine Spur. Waren alle langweilig.«
Auch wenn ich auf Höflichkeit sehr großen Wert zu legen pflege, scheinen es die Leute, mit denen ich mich umgebe, weniger gut damit zu meinen. Ihre Höflichkeit scheint eher verkümmert mit den Schmuddelkindern im Sandkasten geblieben zu sein. Allerdings hatte ich auch das Vergnügen, die Elter der Jahreszeiten kennengelernt zu haben – sie strotzten auch nicht unbedingt davon. Wie soll ein Kind lernen, wenn seien Eltern schon verdorben sind. Der Apfel fällt immer auf den größten Haufen – oder so ähnlich.
»Danach war ich in Südamerika. Da ist das immer so schön.«
»Hat mir ein Kollege mal von erzählt. Muss wirklich prima da sein. Gab ja mal eine Zeit, da sind die Deutschen in großer Zahl dorthin ausgewandert.«
Traurig schüttelte Winter ihren Kopf und sagte: »Das wird den Ländern wohl nie verziehen.«
Ich zuckte mit den Schultern und reichte ihr ihre Tasse. Sie nippte ein paar Mal, runzelte ihre Stirn und sagte: »Das ist wirklich keine gute Qualität.«
»Meinst Du den Wein oder den Rum?«
»Beides.«
»Kann ich nur bestätigen. Wenn Du nicht willst, trinke ich es gerne. Ich fühle mich so, als brauchte ich es jetzt.«
Sie lachte spitz auf und schüttelte mit dem Kopf. »Selbst wenn Du nicht direkt daran sterben kannst – wenn Du Dir die grauen Zellen wegballerst, wirst Du die Ewigkeit schwachsinnig verbringen. Auch wenn ich mich frage, ob irgendwer, inklusive Dir selbst, einen Unterschied zum momentanen Zustand feststellen würde.«
»Besser Schwachsinn als gar nichts im Kopf.«
Sie nahm erneut einen tiefen Schluck und sagte: »Sollten wir nicht lieber mal erforschen, wer Dir diese garstigen Sachen schickt?«
Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Ich will die nächsten paar Monate Ruhe haben.«
Die Tasse abstellend, erhob sie sich, griff nach meinem Arm und zog mich ebenfalls auf die Füße. »Wir sollten jetzt etwas machen, wo die Spur noch heiß ist.«
»Ich würde lieber warten, bis die Spur richtig kalt ist. Dann würde es mir mehr Spaß machen.«
Winter hörte mir gar nicht zu und schob mich zur Haustür.
