Ich blickte Herbst an und sagte: »Kannst Du zufällig indisch?«
Herbst sagte: »In dem Land war ich nicht oft. Sie brauchen mich auch kaum. Meine Geschwister und ich unterscheiden sich dort nur leicht. Aber ein paar Brocken habe ich aufgeschnappt.«
Er trat näher zu mir und sagte: »Du hast nicht viel verpasst. Das Meiste ist ziemlich belangloser Mist.«
»Es wäre schon wichtig für uns – es ist wahrscheinlich die Firma, auf dessen Server wir uns gerade herumtreiben.«
Mit seinem Zeigenfinger wischte Herbst ein wenig auf dem Fenster herum. Dann sagte er: »Das wäre schlecht – soweit ich dem unteren Text folgen kann, ist die Firma seit knapp eineinhalb Jahren geschlossen.«
»Das erklärt vielleicht die Beta-Version, in der wir uns hier befinden.«
Herbst hörte mir nicht zu. Er sagte: »Sie sind pleite gegangen – oder besser, sie wurden geschlossen, weil zwei Programmierer während eines Tests gestorben sind.«
»Irgendwie kommt das nicht wirklich überraschend. Warum haben sie diesen verdammten Server nicht abgestellt? Verdammte Stümper!«
Wir beide schwiegen. Dann kam mir eine Idee. »Kannst Du irgendetwas über die Leute herausfinden, die dort gearbeitet haben? Vielleicht betreibt einer der Schöpfer sein Werk im geheimen weiter.«
»Was bringt Dir das? Wie willst Du Dich mit ihm in Verbindung setzen?«
»Vielleicht über seinen Namen. Kennst Du nicht diese merkwürdigen Geschichten, in dem der Name eines Gottes Macht über ihn bedeutet?«
»Ich lese keine dieser Geschichten. Meist sind sie zu abgedroschen und blödsinnig.«
»Lass uns meiner Intuition folgen. Mit einem Namen könnte ich etwas anfangen.«
Gebannt starrte Herbst auf das Fenster. Für mich ziellos und völlig zufällig tippte und wischte er über das Glas. Dann sagte er: »Drei der vier Geschäftsführer kamen ins Gefängnis. Sie sitzen ziemlich lange Strafen ab.«
Ich nickte und sagte: »Das werden dann wohl nicht unsere Leute sein. Was ist mit dem vierten Geschäftsführer?«
»Suizid – einen Tag vor der Verhandlung. Man fand ihn an seinem Rechner. Er hatte ein Kabel im Kopf.«
»Kannst Du mir seinen Namen nennen?«
»Dinu Diwaraabunabi! Ich kann Dir nicht sagen, ob ich den Nachnamen wirklich richtig ausspreche.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

3 Gedanken zu „Indisch“
    1. Ja klar, die gab’s. Ich hatte mir an der Stelle nur gedacht, wie dämlich die meisten Geschichten sind, in denen die Programmierer zufällig aus Deutschland kommen und unsere Sprache sprechen. Wir realistisch ist das bitte?
      Die Inder sind uns in einigen Sachen voraus. 😉

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