Als ich meinen Körper fertig hatte, sagte Herbst: »Der hat so viel Ähnlichkeiten mit Dir, wie ein Aktenordner mit einer Festplatte.«
»Ich hoffe, du bezeichnest mich als die Festplatte?«
Vor meinen Geist verformte sich mein Körper, bis er aussah, wie eine Fotografie von mir, von vor 15 Jahren, als ich mich selbst noch als fitt und jung bezeichnete. Das Modell hatte etwas zwanghaft Lässiges an. Es wirkte, als hätte man mich ›Retro‹-designed.
Sofort nach Fertigstellung der ersten entstand eine zweite Figur, die Herbst vollständig glich. Mit etwas Neid musste ich feststellen, dass er es einfach besser draufhatte als ich, allerdings hatte er auch viel mehr Zeit (und ich spreche hier von Jahrtausenden) seine Talente zu entwickeln.
»Du lernst verdammt schnell. Das sieht wirklich gut aus. Allerdings hätte ich mir doch ein paar Muskeln gewünscht.«
»Die hattest Du auch früher nicht. Wir wollen doch realistisch bleiben.«
»Wir sind hier nicht in der Realität, sondern in der Virtualität. Hier ist alles möglich.«
Ein Brummen war zu hören. »Sag mal, wie kommen wir jetzt in die Körper?«
Die Körper zu programmieren, war bedeutend einfacher, als der Eintritt in sie. Ich brauchte ein paar Versuche, bis es mir gelang. Dann fühlte ich mich endlich wieder, wie ein ganzer Mensch.
Herbst hatte das Kunststück zeitgleich geschafft. Wahrscheinlich hatte er es von mir abgeschaut.
Versuchsweise hob ich beide Arme, ging ein paar Schritte und sagte: »Das klappt doch ganz gut. Was machen wir jetzt?«
»Was kann man mit dem Spielplatz noch anstellen? Vielleicht basteln wir uns einen Browser und nehmen Kontakt nach Außen auf.«
Der Gedanken war viel zu naheliegend, als dass ich darauf gekommen wäre. Natürlich war Ali unsere einzige Hoffnung. Solange es uns nicht gelang, uns von selbst zu befreien, konnte nur ein Eingriff von Außen Hilfe bringen.
Einen Browser hatte ich noch nie programmiert. Wenn dieses Zeug allerdings auf Microsoft basierte, lieferte es uns die nötige Schnittstelle quasi mit. Man benötigte nur ein paar Zeilen und die richtigen Einstellungen und schon konnte sich jeder, seinen eigenen Browser erstellen, der dem Internet-Explorer allerdings glich, wie ein Ei dem nächsten.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

Ein Gedanke zu „Der perfekte Körper“

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