Die Sonne, ein komisch geformter Ball, der gelangweilt am Himmel rumhing und kaum zu erkennen war, wollte sich gerade hinterm Horizont eine Auszeit nehmen, als vor uns ein Dorf erschien.
Das Wort Dorf war hier allerdings noch zu hoch gegriffen. Um eine Feuerstelle standen eine handvoll Holzhäuser, die alle so aussahen, als hätte man sich beim Bearbeiten des Baumaterials kaum Mühe gegeben. Aus zwei der Häuser erhob sich dichter schwarzer Rauch aus größeren, grob angebrachten Löchern in ihren Dächern.
Irgendwer war anscheinend zu Hause und ließ das Essen anbrennen. Ein merkwürdiger Geruch lag in der Luft. Es roch nach verkohltem Fleisch und etwas anderem undefinierbaren.
Der Statist hinter uns zog die Luft scharf ein.
Ich blickte Herbst an und sagte: »Sollen wir die Leute da unten besuchen?«
Herbst sagte: »Was sollen wir sonst machen? Wir haben keine Ausrüstung um im Freien zu übernachten.«
Wir gingen langsam auf das Dorf zu.
Je näher wir kamen, desto merkwürdiger schienen die Hütten auf mich. Die meisten hatten keine Türen, sondern waren mit schweren Lederfetzen vor den Eingängen versehen. Der Geruch wurde immer stärker und biss mir in die Nase.
Der Innenplatz war schwarz. Wahrscheinlich wurde hier regelmäßig zusammengesessen. Mitten auf dem Platz lagen riesige Holzblöcke, aufgeschichtet zu einem mehr als mannshohen Turm.
Die Häuser selbst wirkten merkwürdig groß. Zusätzlich konnten wir keine Bewohner ausmachen. Keiner blickte aus dem Fenster und keiner schien uns willkommen zu heißen.
»Sollten so welche Dörfer eigentlich nicht durch einen Zaun geschützt sein?«
Der Fremde hinter uns zischte erneut. Diesmal war er lauter und klang beunruhigt. Auch Herbst wirkte nervös. Mittlerweile waren wir bis auf 100 Meter auf eins der Häuser zugegangen.
Die Sonne versank am Himmel und verteilte ihre letzten roten Strahlen sparsam über alles Sichtbare um uns. Die Schatten wurden endlos lang und erstreckten sich ins Land.
Schlagartig blieb Herbst stehen und sagte: »Was ist, wenn dieses Dorf gar nicht geschützt werden muss, weil hier sowieso niemand hin will?«
Der Schatten des Hauses schlug über uns. Die ersten Sterne waren zu erkennen. Die Nacht brach ein, als hätte jemand ganz plötzlich den Lichtschalter betätigt.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

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