Wir brauchten nicht lang zu Alis Wohnung. Dort trafen wir auf Judith.
Sie umarmte mich, was mich etwas verlegen werden ließ. Dabei drückte sie mich so eng an sich, dass mir schwindelig wurde. Hinter mir räusperte sich Ali und sagte kühl: »Sein Besuch ist geschäftlich.«
Judith ließ ihre Unterlippe sinken und sah mich an, wie es eigentlich nur ein bettelnder Hund kann. Schnell fügte ich hinzu: »Ich hatte immer vor, euch wiederzusehen. Es ist bisher leider immer was dazwischen gekommen. Wirklich peinlich die Geschichte.«
Sie blieb weiterhin vor mir stehen und blickte mich groß an.
»Glaub mir, wenn Du wüsstest, was mir in der letzten Zeit alles passiert ist, würdest Du mich verstehen.«
Herbst drängelte sich an Ali vorbei und sagte: »Wo sind jetzt diese elektronischen Wunderwerke?« Er bemerkte Judith erst, als er vor ihr stand und entschuldigte sich höflich, in dem er sagte: »Es tut mir leid, ich hatte hier kein weibliches Wesen erwartet. Sind Hacker nicht immer Singles und wissen nicht, wie man ein Weibchen anspricht?«
Seine ungehobelte Naivität und den ungeschickten Umgang mit Vorurteilen, erinnerte mich sehr an Sommer. Peinlich gerührt schüttelte ich den Kopf und sagte: »Wir sollten uns diese Interfaces anschauen, bevor es hier zu Handgreiflichkeiten kommt.«
Judith fragte noch, ob wir etwas zu trinken haben wollten, doch Herbst wischte den Gedanken für uns alle, mit einer Handbewegung aus der Welt.
Ein wenig später saßen wir vor einem Computer, neben dem Ali zwei merkwürdige Geräte gelegt hatte. Ich betrachtete die Dinger neugierig. Sie sahen aus, wie metallische Stirnreifen – eine Mischung aus sportlicher und modischer Entgleisung der 80ger und einem Folterinstrument aus dem Mittelalter. Insgesamt nicht wirklich vertrauenserweckend.
Ich sagte zu Herbst: »Sollten wir die Dinger wirklich ausprobieren? Eigentlich hatte ich mein Leben gerade wieder lieb gewonnen.«
»Es wird schon nichts passieren. Ich bin ja bei Dir.«
»Deswegen habe ich ja auch solche Angst.«
