Wir brauchten nicht lang zu Alis Wohnung. Dort trafen wir auf Judith.
Sie umarmte mich, was mich etwas verlegen werden ließ. Dabei drückte sie mich so eng an sich, dass mir schwindelig wurde. Hinter mir räusperte sich Ali und sagte kühl: »Sein Besuch ist geschäftlich.«
Judith ließ ihre Unterlippe sinken und sah mich an, wie es eigentlich nur ein bettelnder Hund kann. Schnell fügte ich hinzu: »Ich hatte immer vor, euch wiederzusehen. Es ist bisher leider immer was dazwischen gekommen. Wirklich peinlich die Geschichte.«
Sie blieb weiterhin vor mir stehen und blickte mich groß an.
»Glaub mir, wenn Du wüsstest, was mir in der letzten Zeit alles passiert ist, würdest Du mich verstehen.«
Herbst drängelte sich an Ali vorbei und sagte: »Wo sind jetzt diese elektronischen Wunderwerke?« Er bemerkte Judith erst, als er vor ihr stand und entschuldigte sich höflich, in dem er sagte: »Es tut mir leid, ich hatte hier kein weibliches Wesen erwartet. Sind Hacker nicht immer Singles und wissen nicht, wie man ein Weibchen anspricht?«
Seine ungehobelte Naivität und den ungeschickten Umgang mit Vorurteilen, erinnerte mich sehr an Sommer. Peinlich gerührt schüttelte ich den Kopf und sagte: »Wir sollten uns diese Interfaces anschauen, bevor es hier zu Handgreiflichkeiten kommt.«
Judith fragte noch, ob wir etwas zu trinken haben wollten, doch Herbst wischte den Gedanken für uns alle, mit einer Handbewegung aus der Welt.
Ein wenig später saßen wir vor einem Computer, neben dem Ali zwei merkwürdige Geräte gelegt hatte. Ich betrachtete die Dinger neugierig. Sie sahen aus, wie metallische Stirnreifen – eine Mischung aus sportlicher und modischer Entgleisung der 80ger und einem Folterinstrument aus dem Mittelalter. Insgesamt nicht wirklich vertrauenserweckend.
Ich sagte zu Herbst: »Sollten wir die Dinger wirklich ausprobieren? Eigentlich hatte ich mein Leben gerade wieder lieb gewonnen.«
»Es wird schon nichts passieren. Ich bin ja bei Dir.«
»Deswegen habe ich ja auch solche Angst.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.