Irgendwie konnte ich nicht nachvollziehen, wie ein kleiner, zunächst unbedeutender Funke, so viel Schaden anrichtete. Als ich mich letztes Jahr mit Herbst unterhielt, waren die Kritiker noch leise und lächerlich. Jetzt waren sie nur noch das Letztere bzw. das Letzte.
Ich sagte: »Woher, meinst Du, kommt der ganze Hass?«
»Wahrscheinlich daher, dass man sich nie wirklich verstanden hat. Die Linken und die Rechten waren ja schon immer Feinde.«
»Ich meinte den Hass der Leute, die vor einem Jahr noch die Schnauze gehalten haben.«
»Wie immer sehe ich, dass ich mit einem Gutmenschen spreche.«
»Das Wort Gutmensch verstehe ich nicht. Bisher wollte ich nie gut sein. Die Guten bekommen keine Frauen und sitzen in ihrer Wohnung alleine rum und verstehen die Welt nicht. Nur die Bösen haben Spaß. Das ist eine Tatsache, die mich ebenfalls an der Kirche verzweifeln lässt. Was ist daran erstrebenswert, gut zu sein? Das Wort ‘Gutmensch’ scheint mir mittlerweile allerdings fast schon eine erstrebenswerte Auszeichnung der Menschlichkeit und des Mitgefühls.«
»Du lenkst ab.«
»Wenn Gutmensch bedeutet, dass ich gegenüber Leuten denen es schlecht geht, emphatisch bin und ihnen gerne helfe, dann bin ich wohl gerne ein Gutmensch. Es besteht ein himmelweiter Unterschied, nicht jeden Tag nett und ordentlich zu sein, zu der Einstellung, dass Teilen und Helfen grundsätzlich verboten werden sollte.«
»Aber wir sollten uns nicht bestehlen, begrabschen und ausnutzen lassen.«
»Die Leute, die hierher kommen, sind zum größten Teil  unfreiwillig hier. Sie wären gerne in ihren Ländern geblieben und sehen Deutschland als fremd und angsteinflößend an. Meinst Du sie haben Spaß daran, in einem fremden Land wie Aussätzige behandelt zu werden und darum zu betteln, hierbleiben zu dürfen?«
»Aber sie belästigen unsere Frauen und bestehlen unsere Kinder.«
»Wenn jemand im Winter zu Dir kommt, weil er draußen erfrieren würde, dann wärst du ein absolutes Arschloch, ihn vor der Tür stehen zu lassen. Wenn er dann drinnen damit anfängt, Deine Frau anzubaggern, dann setzt Du ihn wieder vor die Tür. Natürlich gibt es Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

11 Gedanken zu „Von der Rettung Erfrierender“
  1. Ich las neulich mal wo, dass in der öffentlichen Diskussion gern ein Dilemma fälschlicherweise als Problem bezeichnet wird, weil so seine grundsätzliche Lösbarkeit vorgetäuscht wird.

    1. Das ist lustig, dass Du mich gerade an den Spruch: „Ich kenne keine Probleme, sondern nur Themen, über die man sprechen kann und Lösungen die man umsetzen muss.“
      Der Satz löst bei mir zwangsläufig Übelkeit aus. Dass der Unterschied zwischen Dilemma und Problem besteht, war mir gar nicht so bewusst. Wenn ich allerdings pragmatisch denke, lassen sich die „Herausforderungen“ meist recht simpel lösen. Außerdem muss man nicht immer gleich ein Fass aufmachen… 😉

        1. Ich hatte mich lange darauf vorbereitet, diesem Satz mal in Natura zu hören und nicht aus dem typischen Management Bullshit Bingo überliefert zu bekommen.
          Heute war es endlich soweit! Ich hätte mir fast auf die Schenkel geschlagen und anschließend stehend applaudiert. Aber derjenige, der ihn sagte, meinte es ernst.
          Ich frage mich immer noch, was er mir damit sagen wollte. Wenn er will, bekommt er keine „Probleme“ von mir zu hören. Ich arbeite sowieso gerne anarchistisch, pragmatisch und vollständig autark. Ich hoffe, dass er das auch gemeint hat.

          1. Ich meinte das eher pessimistisch, ich glaube Herbst würde mir zustimmen. Wir haben eben keine Probleme mit Lösungsmöglichkeiten, sondern die freie Wahl zwischen Pest und Cholera. Wir können entweder alle Flüchtlinge aufnehmen und uns damit ein solides Lumpenproletariat zulegen, was den Lebensstandard für alle senkt. Das ist blöd. Aber noch besser als die Idee vom Ungarn, ein riesiges Lager vor den Toren der EU anlegen, als Brutstätte für einen Haufen neuer unbekannter Übel. Dritte Option wäre Weltkrieg im Nahen Osten, bis wir so am Ende sind, dass keiner mehr hier hin flüchten will. Es gibt also reichlich Alternativen. Aber keine schönen Lösungen.

          2. Wenn jemand helfen kann, dann doch wir. Wir leben schon seit Jahren über unsere Verhältnisse – liefern Waffen in die Welt (juhu wir sind die Produzenten weltweit auf Platz 3!), lassen unsere Kleidung von Kindern in der Dritten Welt produzieren, nur damit sie so schön billig sind und schmeißen im großen Stil Lebensmittel weg, weil sie zu preiswert sind.
            Nicht die Armen gefährden unsere Gesellschaft, sondern die Reichen, die kaum Steuern bezahlen und 96% aller Besitztümer horten. Es ist eine Kunst für sich, dass sie den Fokus nach unten gesetzt haben. Wer spricht schon über sie? Die Roten machen es nicht mehr, die Grünen sowieso nicht und die Schwarzen und Gelben sind ihrer Meinung.
            Die Rechnung für unsere Blindheit bekommen wir auf jeden Fall, aber ich sehe da ein Problem und keine Dilemma. Nehmt den Reichen und gibt es denen, die es brauchen. Stoppt den Krieg, indem wir endlich mal Flugscharen und nicht Waffen produzieren und kauft ein, was fair produziert wurde. Natürlich werden wir alle dann bezahlen. Aber das müssten wir auch.
            Wenn wir es nicht machen, bekommen wir den Krieg, den wir verdient haben. Das wäre nur gerecht.

          3. Stimme voll zu. Glaube nur, man kann auch ohne alle moralischen Argumente sagen: Es werden Menschen einwandern. Wir brauchen Leute. Es werden keine indischen Programmierer oder chinesischen Mathegenies sein. Wir müssen selber Ressourcen aufwenden um sie auszubilden, wir müssen jeden nehmen, den wir kriegen können. Das Wort „Integration“ sollten wir dabei ganz schnell vergessen, denn das ist Selbstbetrug und bedeutet eigentlich „wohlhabend und gebildet“. Besorgten Bürgern, die Klartext hören wollen, sollte man sagen: Grenzzaun ist ne blöde Idee, das wurde die letzten 30 Jahre versucht. Der Grenzzaun waren die nordafrikanischen Diktaturen, die sind zusammengebrochen. Auf Flüchtlinge schießen ist auch ne blöde Idee, denn Dir wird schnell die Munition ausgehen und keiner wird Dir Kredite geben, um auf arme Schlucker zu schießen, denn Krieg ist auch nur ein Geschäft. Naja, vielleicht darf man so Sachen wirklich nicht so offen aussprechen. Aber ich glaube, viele nette und schlaue Leute wählen in letzter Zeit ne Arschloch-Partei, weil die anderen zu viel offensichtliches nicht offen aussprechen wollten. Egal, lieber lustige Geschichten über Naturkräfte schreiben. Is schöner…

          4. Ja das stimmt. Wir sollten allerdings auch dankbar sein, dass wir (noch) nicht in einem Land leben, in dem man für seine Meinung bestraft wird. Kurzsichtig eine Partei zu wählen, die das ändern wird, ist ziemlich dämlich. Die Parteien müssten ein neues Interesse an Politik erwecken und mal für etwas stehen.
            Ist alles etwas aussichtslos, da gebe ich Dir recht. Eine einfaches Lösung wird es nicht geben, aber das ist ja auch kein einfaches Problem.

    1. Ich bewege mich zurück zu Herbst im letzten Jahr. Das waren auch „nur“ Unterhaltungen über das System. Aber halte bitte durch. Die wirkliche Handlung fängt erst an, sobald ich die Grundlagen gelegt habe. Es wird auch wieder eine Geschichte. Bin gerade im 4. Kapitel (Ende Oktober) und bis jetzt habe ich die Genre Soziale Kritik, Thriller, Fantasy und Space Opera. Diese Jahreszeit werde ich mich mal nicht auf eins einigen. Es kommt, worauf ich gerade Spaß habe. Ich hatte ja mal gefragt, was ich als Thema nehmen sollte und da kam fast alles und das mache ich auch (ich glaub die Idee stammte von Alice). 😉
      Außerdem krankt jeder Anfang daran, dass man die Charaktere und die Handlung einführen muss. Selbst bei Sommer und Frühling fand ich die ersten Kapitel etwas zäh. Noch habe ich keine Idee, wie man das besser machen kann. Herbst muss man ja nicht mehr viel beschreiben, aber er hat sich auch stark geändert. Im letzten Jahr war er eher der heulende Trottel und dieses Jahr ist er der konservative Spießer. Das musste ich den Lesern auch klar machen.

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