Mit einem Schritt stand ich neben der schlafenden Frühling und drückte den Typen, der gerade noch über ihr gelehnt hatte, leicht zurück. Dieser sagte träge: »Eh, was soll das?«
Ohne ihn zu beachten, rüttelte ich an Frühlings Schulter und schrie: »Wach auf!«. Nach zehn Sekunden öffnete sie die Augen und blickte mich an. Dann schaute sie an mir vorbei und erblickte den Fremden.
Ohne mich umzudrehen sagte ich: »Lass mich raten. Das ist Dein Bruder?«
Frühling nickte und sagte: »Das war insgesamt ziemlich knapp.«
Ich sagte: »Was meinst Du damit?«
Sie sagte: »Die Lösung des Falls hat meine gesamte Zeit in Beschlag genommen. Hätten wir irgendwo getrödelt, dann hätte mein Bruder übenehmen müssen.«
Sommer, der uns fragend ansah, sagte: »Worüber sprecht ihr beiden eigentlich?«
Ich blickte zu ihm hinüber.
Seine Haare hatten die Farbe eines Golden Retriever, während die Form der Haare eher an die Frisur eines Pudels erinnerte. Ein hellblonder Flaum bedeckte das Kinn, er hatte eine Sonnenbrille ins Gesicht gezogen und ein rotes Stirnband war als modisches, wenn auch antiquiertes Accessoire drapiert.
Ich sagte zu Frühling: »Bist Du sicher, dass Du nicht länger bleiben möchtest?«
Frühling schüttelte den Kopf und sagte: »Mir reicht es definitiv. Außerdem habe ich eine Aufgabe. Mal sehen, ob sich das Verhältnis zur Verwandtschaft wieder einrenken lässt.«
Ich sagte: »Willst Du sie alle aufeinanderhetzen?«
Frühling sagte: »Es ist nicht wirklich gerecht, dass Morpheus ohne Strafe davonkommt.«
Sommer schnalzte mit der Zunge und sagte: »Du sprichst von Fairness kleine Schwester? Das ist doch sonst gar nicht Deine Sache.«
Ich sagte: »Meinst Du, dass ich in der nächsten Zeit sicher schlafen kann?«
Frühling lachte und sagte: »Eins ist sicher, Du wirst nie wieder sicher schlafen können. Er wird kommen und Dich holen. Sobald er herausfindet, was Du gemacht hast, wird er Dich im Traum töten.«
Ich sagte: »Dank Dir Frühling – ich hatte schon Angst, dass der Spuk noch nicht vorbei ist. Mit Sommer habe ich etwas völlig anderes vor.«
Frühling lachte und sagte: »Wird mich freuen, Dich nächstes Jahr wieder zu treffen. Vielleicht lösen wir noch einmal so ein Krimi?«
Sie stand in der Tür und sah mich an. Ich sagte: »Wenn ich es nicht vermeiden kann.«
Mit einem Schlag war die Tür verschlossen.
Sommer sah mich groß an. Für ein paar Momente standen wir uns reglos gegenüber.
Dann streckt er mir seine Pranke entgegen und sagte: »Hallo, ich bin Sommer.«
Ich liebe es immer, wenn Leute das Offensichtliche aussprechen. Das macht sie immer gleich viel intelligenter.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

Ein Gedanke zu „Nie wieder schlafen“

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