Noch während sich die Farbe in meinem Gesicht von rot auf kalkweiß änderte, war der Direktor bei uns. Er trat durch eine Seitentür und winkte uns, ihm zu folgen.
Nicht lange danach, saßen wir in einem kleinen Büro. Der Mann hatte einige Bilder seiner Familie auf seinem Schreibtisch versammelt, lehnte sich in seinem Sessel zurück und faltete die Hände über seinem nicht vorhandenen Bauch.
Er machte auf mich den Eindruck eines tibetanischen Mönches, der uns gleich mit den neuesten Entspannungstechniken das Ohr abkauen würde. Sein kahlgeschorener Schädel, auf dem sich das Licht der Neonröhre spiegelte, verstärkte das Bild noch. Sein Alter konnte ich nicht einschätzen – er musste zwischen 30 und 60 Jahre alt sein.
Frühling strahlte ihn an und sagte: »Es ist sehr schön, dass sie Zeit für uns haben.«
Der Mann sagte: »Mein Name ist Christoph Meyer. Was kann ich für Sie tun.«
Frühling lächelte ihn an und tat so, als wäre sie vier Jahre alt und wollte von ihrem Vater ein Eis erbetteln.
Sie sagte: »Wir wollten etwas über einen Insassen erfahren, der hier vor ca. 5 Jahren gestorben ist.«
Der tibetanische Mönch lächelte sie an und sagte: »Es geht erneut um den Fall der alten Dame. Wie hieß sie noch gleich?«
Frühling zuckte mit den Schultern, deutete mit einem Nicken in meine Richtung und sagte: »Um die Namen der Opfer hat sich der Schreiber noch keine Gedanken gemacht. Ist ihm bisher gar nicht aufgefallen, aber die alte Dame hat noch keinen Namen.«
Ich sagte: »Du musst nicht unbedingt darauf rumreiten. Ich weiß noch nicht einmal wie der Räuber hieß.«
Der Mönch schüttelte mit zusammengezogenen Mund den Kopf und sagte: »Was ist das nur für eine dilettantische Arbeit.«
Ich sagte: »Nennen wir die Alte doch Klara Koslowski.«
Frühling lachte hell auf. Sie sagte: »Eine Alliteration – wie putzig. Sind wir hier in Entenhausen oder in Smallville?«
Ich sagte: »Donald Duck und Clark Kent sind doch gute Namen? Was willst Du denn?«
Der Mönch griff sich an die Stirn und sagte: »Das macht doch heute keiner mehr. Das ist sowas von abgegriffen. Jeder gute Schreibratgeber warnt davor, so etwas zu machen.« Ich sagte: »In der Kürze der Zeit fällt mir nichts Besseres ein. Also bleibt es dabei.«
Frühling sagte: »Na fein und wie nennen wir den Räuber?«
Ich sagte: »Bis morgen fällt mir da bestimmt etwas ein.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

6 Gedanken zu „Alliteration“
  1. Liebender Schüler tibetanischer Meditationskunst Alexander
    Der Drahtseilakt bei all der Schreiberei ist für mich stets dann gelungen
    „wenn das Schreckliche ein Mensch zu sein und das Wunderbare jener Spezies“
    sich zeitgleich in den Handelnden Charakteren wiederfindet
    Und so erheiterst Du mich alltäglich aufs Neue versüßst mir meine Abendstunde auf skurile
    Weise dafür danke ich Dir
    Reich Ranickie
    äh Joachim von Herzhaft

    1. Ach ich musste es einfach mal erwähnen: in Schreibratgebern und auf anderem Seiten steht, dass man Alliterationen bei Namen immer vermeiden sollte. Wo soll ich sagen: meine Arbeitskollegen bzw. ihren Eltern hatte man das nicht gesagt, deshalb gibt es so viele M.M., R.R. und B.B.s.
      Warum hält sich keiner an Regeln?
      Gruß,
      Sebastian

  2. Ich fühle mich spontan an „Schwiegertochter gesucht“ erinnert – der bodenständige Bernhard füttert seine angebetete Annie mit zauberhaften Zuckerstücken … (eigentlich futterten sie Esspapier, passte aber nicht in die Dichtkunst der Redaktion)

    1. Schrecklich dieses Spiel, solange man nicht mitmacht.
      Wir haben in der Schule immer das Spiel: „ein Satz – ein Buchstabe“ gespielt. Gewonnen hatte der, der den… (Ich spar mir mal den Wortwitz mit der Länge, obwohl ich ihn lustig finde – aber wir spielen hier ja nicht Niveaus-Limbo).
      Mein Highlight war damals: „Du, die Doris demoliert die Damentoilette – darf die das?“

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