Ich fragte Winter, ob Sie, wie auch ihr Bruder, ab und zu Jobs angenommen hatte. Sie lächelte mich eiskalt an.
Irgendwie wusste ich nicht, was sie damit bezwecken wollte. Ihr Lächeln hatte etwas von dem Blick einer Raubkatze, kurz bevor sie sich auf einen lahmen Wasserbüffel stürzt.
Für ein paar Augenblicke war ich mir nicht sicher, ob sie noch antworten würde.
Dann räusperte sie sich und sagte: »Natürlich hab ich dann und wann auch mal etwas gemacht.«
Ich sagte: »Das liegt nicht unterhalb Deiner Würde?«
Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Solange der Job gut bezahlt ist…«
Dann schwieg sie wieder. Anscheinend wartete sie auf meine nächste Frage. Ich erwog, die Frage einfach auszulassen. Vielleicht würde sie das verärgern?
Dann gab ich nach – schließlich war meine Geduld nicht unendlich und mein Wunsch schweigend in Winters Nähe zu sitzen minimal.
Ich sagte: »Erzählt mir mal von Deinen Jobs.«
Sie nickte, als hätte ich genau das gemacht, was sie wollte. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als hätte man mir den Kopf getätschelt und mich hinter den Ohren gekrault. Ich unterdrückte den Drang mit dem Hintern zu wackeln. Mit meinem Schwanz zu wedeln stand nicht zur Debatte.
Dann sagte sie: »Ich war einmal als Kommissarin tätig…«
Noch bevor sie weitersprechen  konnte, unterbrach ich sie und sagte: »War es der Fall mit der alten Frau, die umgebracht wurde? Der Fall, bei dem alle Türen und Fenster von innen verschlossen waren?« (HIER)
Mit einem breitem Lächeln sagte Winter: »Wer hat Dir davon erzählt?«
Ich sagte: »Ich erinnere mich noch gut. Es war Herbst. Er hatte den Fall als Erster.«
Winter nickte kurz. Dann sagte sie: »War ein merkwürdiger Fall. Der Dilettant hätte ihn nie lösen können.«
Ich sagte: »Erzähl mir davon.«
Sie sagte: »Morgen… Jetzt werde ich mir erst einmal die Nägel lackieren.«
Mit einer gekonnten Drehung war sie an der Tür und entschwunden.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

13 Gedanken zu „Jobs im Winter“
  1. Interessant, die Kommissarin mit dem eiskalten Verstand!
    Ich muss zugeben, bei der Unterschrift „Jobs im Winter“ hatte ich zunächst etwas unflätige Assoziationen. 😀

    1. Ich versuche grundsätzlich die Überschriften so weit vom Inhalt anzulegen, wie es noch irgendwie geht. Wäre ja wohl abscheulich, wenn die Aufschrift den Inhalt verrät. Das lass ich mir vielleicht noch von Lebensmitteln gefallen, obwohl ich ja auch in meiner Jugend ein Fan des Dosen-Rollets war (oder hieß das anders? Es ging darum, dass jeder Dosen mitbrachte, von denen die Etiketten entfernt waren. Irgendwer musst dann ein paar davon öffnen und ein Essen draus vorbereiten. Sehr lustig und experimentell. Nur der Typ der die Bohnensuppe mitgebracht hatte, gehörte rausgeschmissen…)

      1. Klingt extrem interessant und witzig, hab ich noch nie von gehört. 😀
        Aber da muss ich dir recht geben, Bohnensuppe und geschlossene Räume sind eine gefährliche Kombination.

        1. Ich arbeite in Essen und wohne in der Nähe. Die Fotos sind nicht alle aus dem Ruhrgebiet. Viele sind von Reisen oder von vorherigen Orten an denen ich zeitweise leben musste. Im Herzen bin ich aber Pottler…

          1. „Leben musste“ klingt nicht sehr happy.
            Für meinen Teil habe ich das Ruhrgebiet nach einer Weile sehr ins Herz geschlossen. Viele Regionen behaupten von sich unkompliziert und entspannt zu sein, aber dieses Gefühl bekommt ich nur wirklich bei „euch“. In Essen war ich aber nur zwei, drei Mal (Museum, Party).

          2. Die Zeit in Darmstadt war ganz nett und ich bin nicht anspruchsvoll wenn es um „zu Hause“ geht. Allerdings war ich glücklich als ich zurück war.

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