Winter fragte mich nach einer netten Geschichte.
Ich musste einige Zeit überlegen. Eigentlich fiel mir Nichts ein. Irgendwann ist mach einfach nur ausgebrannt. Was soll man dann noch groß erzählen?
Außerdem war es schwierig Winter von etwas zu erzählen. Sie sollte ja auf keinen Fall in ihrer Meinung über mich bestätigt werden.
All meine kleinen Missgeschicke mussten daher unter den Teppich gekehrt werden. Die Geschichte, dass ich einmal zwei Prüfungstermine im Vordiplom vertauscht hatte, durfte ich zum Beispiel auf keinen Fall erzählen.
Ich war, meiner Meinung nach, pünktlich vor der Bürotür des Professors erschienen. Dort traf mich einer seiner Mitarbeiter und teilte mir mit, dass der Professor im Moment gar nicht im Land war.
Etwas überrascht blickte ich auf meinen Terminplan und musste feststellen, dass der Tag auf jeden Fall stimmte. Nur die Zeit und das Prüfungsthema hatte ich leider vertauscht.
Anstelle von Anorganischer Chemie hatte ich am gleichen Tag und nur zwei Stunden in der Zukunft eine Prüfung in Physikalischer Chemie.
Blöd gelaufen.
Ich setzte mich sofort hin und lernte, so viel ich konnte. Es hätte gerade so für eine schlechte 2 gereicht.
Blöderweise erzählte ich am Ende der Prüfung dem Prüfer davon, dass ich die Termine vertauscht hatte. Er bot mir an, die Prüfung noch einmal zu wiederholen. Er meinte, so würde ich meine Zensur noch verbessern können.
Das Ende vom Lied war, dass sich mein Missgeschick im gesamten Kollegium rumsprach. Der nächste Professor begrüßte mich schon mit den Worten: ›Sind sie sicher, dass sie heute die Prüfung bei mir haben?‹
Noch schlimmer war jedoch die Wiederholungsprüfung beim ersten Professor.
Der quälte mich länger als zuvor und sprach immer nett sein Mantra: ›So jemanden wie mich hätte er noch nicht kennengelernt. Ich würde wahrscheinlich auch meine eigene Hochzeit verpassen.‹
Die Zensur war dann eine glatte 3. Ich bin dem Professor ab dann aus dem Weg gegangen. Die Gefahr war zu groß, ihm sonst ins Gesicht zu springen.
Zu sagen bleibt noch, dass ich pünktlich zu meiner Hochzeit war.
Nette Geschichte, aber gegenüber Winter werde ich sie sicherlich nicht erzählen. Ich bin doch nicht verrückt. So eine Geschichte behält man lieber für sich. Wer erzählt schon von einer solchen Sache?

4 Gedanken zu „Vertrottelte Zeiten“
Kommentare sind geschlossen.
Genau … Ich werde auch nie jemandem erzählen, dass ich in der Vor-Abi-Klausur (Thema: Die Epoche der Aufklärung) die Entwicklung Frankreichs ab der Französischen Revolution dargestellt habe und nicht wie gefordert die bis zur Französischen Revolution. Deshalb schweige ich mit dir gemeinsam. 🙂
Man sollte grundsätzlich arg darauf aufpassen, was man von sich selbst erzählt. Man weiß ja, dass das Internet nicht vergisst. Deshalb würde ich auch nie sagen, wie blöd ich mich manchmal anstelle. Sowas kann gegen einen verwendet werden. Als ich neulich, z.B. – aber das muss jetzt zwischen uns 1.200 bleiben – (bitte hier Text über Blödeleien einfügen)…
PS: Dass das Internet nicht vergisst, ist übrigens eine Legende. Es vergisst nur sehr langsam. Von den Texten, die ich in den 90gern Ins Netz gesetzt habe, sind keine mehr vorhanden.
Ich würde auch keinem erzählen, dass ich in meiner Soziologieklausur, plötzlich von der Individualisierungstherorie, zum aktuellen Thema in Deutsch übergegangen war 🙂 Als ich den aktuellen Lektüre Titel schrieb (Iphigenie auf Tauris), waren schon neun Seiten voll geschrieben und die Zeit um. Der Lehrer meinte damals, er hätte noch nie so ein interessante Darstellung des Themas gelesen….
Wer hätte erwartet, wie viele Menschen am liebsten Teile ihres Lebens verschweigen. Gut das wir nicht so offen sind und alles unter uns 96 bleibt!