Auf der Straße, an dem Ort, an dem wir uns getrennt hatten, fand ich Herbst. Er saß zusammengekauert auf dem Gehweg und hatte den Kopf zwischen seinen Händen, als wolle er ihn daran hindern, von seinen Schultern zu fallen, über die Straße zu kullern, um im Rinnstein liegen zu bleiben.
Ich ließ mich neben ihm nieder und obwohl ich es besser wissen müsste, sagte ich: “Was ist denn los?”
Er sagte: “Ich habe nicht gefunden, was ich suchte.” “Du hast noch mehr Geschwister und jeder von ihnen könnte Deine Stürme haben. Außerdem könnte Winter die Dinger woanders versteckt haben und Du hast sie einfach nicht gefunden.”
Herbst sagte: “Das ist mir alles bewusst. Ich hatte die Hoffnung, dass Winter sie einfach offen auf ihrem Schreibtisch liegengelässt.”
Ich schüttelte die Kopf und sagte: “Soweit ich Winter kennengelernt habe, würde sie nichts einfach so liegenlassen. Das Biest hat einen genauen Plan.”
Herbst sagte: “Deshalb gehe ich ihr auch gerne aus dem Weg.”
Ich sagte: “Das kann ich gut verstehen.”
Wir saßen einen Weile auf der Straße, bis aufgrund der Kälte, mein Hintern gefühllos wurde. Ich sagte: “Es wird Zeit, ich glaub ich gehe nach Hause.”
Herbst sah mich an und sagte: “Das wollte ich jetzt gerade sagen. Für mich wird es auch Zeit.”
Ich verstand nicht sofort, was er meinte. Er fügte hinzu: “Wir sehen uns dann im nächsten Jahr wieder.”
Ich sagte: “Ich werde die Augen offen halten und gucken, ob ich Deine Stürme bei einem Deiner Verwandten finde.”
Er sagte: “Dank Dir dafür.”, stand auf und hielt mir die Hand hin.
Auch wenn er mir in der letzten Zeit ziemlich oft auf die Nerven gegangen war, würde er mir fehlen. Ich zog seine Hand zu mir und umarmte ihn. Als ich mich von ihm verabschiedete hatte er eine Träne im Augen. Wahrscheinlich würde er mich auch vermissen.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

5 Gedanken zu „Keine Chance gehabt“
  1. Tatsächlich ein trauriger Abschied. 🙁 Ich mag Abschiede persönlich auch nicht und kann das absllut nachvollziehen. Und dann muss der Arme noch ohne seine Kostbarkeiten von dannen ziehen.

    1. Meine Ansicht zu Abschied kommt morgen 😀
      Ich bin aber letztlich sehr froh darüber den Herbst als Ansprechpartner los zu werden. Winter ist einfach interessanter.

    1. Guck Dir das Wetter an – er übergibt an Frühling…. 😉
      Ne im Ernst, ich hatte vorher mal den Text, dass er das mit dem Termin nicht so genau nimmt. Das war weiter oben im Text.
      Daher dachte ich, dass ich das hier auch nicht so genau nehmen sollte.
      Außerdem ist das auch mit seiner Schwester so eine Sache, die übernimmt auch noch nicht vollständig. Herbst hat Ulf jeden Fall keine Lust mehr…

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