Kobold werden ungern mit Zwergen verwechselt. Wenn man es genau betrachtet, sind Zwerge nichts weiter als falsch verstandene Kobolde. Die kleinen Männer hassen es, wenn man sie als Zwerge bezeichnet, da sie die Charaktereigenschaften, denen man dem strebsamen und fleißigem kleinen Volk andichtet, in keinster Weise achten oder nachahmen. Irgendein Witzbold muss wohl einmal die falschen Beobachtungen gemachte haben und hat dann die Zwerge erfunden. Das ist jedenfalls die Geschichte aus Sicht der Kobolde. Ein weiterer Punkt in denen sich Zwerge und Kobolde stark unterscheiden, ist ihre Vorliebe für Metalle aller Art. Kobolde lieben die Natur. Ein Raubbau, wie ihn der Mensch zum Beispiel auf der Suche nach wertvollen Erzen veranstaltet, ist dem Kobold ein Dorn im Auge. So war es auch im Fall des Erzabbaus um das Jahr 1350 auf dem heutigen Gebiet von Essen-Rüttenscheid, den Techlin weniger freudig begegnete. Er hielt die Unternehmungen der Menschen, die an diesem Ort große Brocken Steine aus der Erde rissen, für ein wahnsinniges und unnötige Unterfangen. Er hasste die gesamte Geschichte, seitdem er eines Nachts in eins der dummen Löcher gefallen war, die die Menschen auf der Suche nach einem neuen Flötz ausgegraben hatten. Ihr Lärmen bei Tag und Nacht brachte ihn fast um den Verstand. Wenn man bedenkt, dass diese ganze Geschichte bis zum Jahr 1578 weiterging, kann man seinen Verdruss an der Menschheit nachvollziehen. Eines Tages - es muss schon in den Anfangsjahren des Bergwerks gewesen sein - schlich er sich heimlich in die Gruben und besah sich genauer, was die Menschen dort zu trieben. Die grauen Steine, in denen Techlin keinerlei Schönheit entdecken konnten, wurden mit den Händen oder auf Schubkarren aus der Erde geschafft. Im Feuer schmolzen die Steine und wurden anschließend in kleine Formen gegossen. Was man mit diesem, selbst im Winter weichen Metall anfangen konnte, war ihm ein Rätsel, weshalb er einen der Arbeiter danach fragte: “Was macht ihr mit dem Zeug?” “Das ist Blei. Wir können es z.B. auf Dächer legen. Es hält den Regen ab.” “Das macht doch ein Fell auch. Dafür muss man nicht die gesamte Zeit unter der Erde verbringen.” “Aber wir können noch viel mehr damit herstellen. Es ist biegsam und kann überall verwendet werden.” “Das kann man mit Fellen auch machen. Ihr solltet sofort mit diesem Unsinn aufhören.” “Es bringt und Geld und Arbeit. Die Leute benötigen unser Metall und sie lieben, was wir machen.” “Ihr grabt Löcher in die Erde und verschandelt dies Natur mit unnötigen Kratern. Reicht es denn nicht, dass ihr diese gesamte Gebiet mit eurer Anwesenheit verwüstet? Müsst ihr gleich auch noch alle mit Lärm und Schmutz überfluten? Das Zeug, was ihr dort fördert, ist bestimmt noch nicht einmal gesund.” “Die Römer haben daraus ihre Wasserleitungen gebaut. Sie sind ganz versessen auf das Metall.” “Wer aus den Leitungen aus diesem Metall trinkt, wird doch wahnsinnig werden. Wasser sollte man aus klaren Bächen trinken.” “Wir müssen das Erz weiter abbauen. Im ganzen Land wird es gebraucht.” “Dann geht ins ganze Land. Bloß fort von hier. Je schneller ihr geht, desto besser.” Der Junge, den der Kobold ansprach blieb allerdings hart. Er war sich sicher, dass diese Unternehmungen immer weitergehen würde. Da dem Kobold die Antworten, die er erhielt, nicht gefielen, verkroch sich Technlin und grübelte über die Worte und Taten der Menschen nach. Ihm war wirklich nicht bewusst, was sie mit ihren Werken bezweckten. Da ihm das Hämmern, das Zischen und Stöhnen allerdings an die Nerven gingen, beschloss er diesem merkwürdigen Treiben ein Ende zu setzen. Er hätte ja verstanden, wenn sie Silber oder Gold unter der Erde hervorbrachten. Das Zeug allerdings, was er hier sah, hatte überhaupt keinen Wert. Der Nutzen war ebenfalls zweifelhaft. Als er sich unbeobachtet fühlte, schlich er daher in die Erzgruben. Er ging sehr tief hinein, untersuchte den Boden und die Wände, bis er eine der Adern gefunden hatte. Dann rief er alle seine Mächte zusammen. Er musste unendliche Kräfte ervorbringen und in dieser Nacht schwankte die Erde, sodass alle Menschen in Essen sich sicher waren, dass sie jetzt alle zusammen verschluckt würden. Kobolde zaubern nicht gerne, da es viel Kraft kostet und sie dazu meist zu faul sind. Wenn sie sich allerdings überwinden, können sie tatsächlich Metalle verändern. Als die Bergmänner am nächsten Morgen in ihren Flötz kamen, schimmerten die Wände im silbrigen Licht. Sie klopften einander auf die Schulter, da sie glaubten, eine echte Silbermine gefunden zu haben. Ein lautes Gröhlen erklang. Sie priesen die Mächte der Welt, die ihnen so viel Reichtum geschenkt hatten. Irgendjemand hatte aus dem zwar sehr praktischen aber nicht sehr wertvollen Blei endlich Silber werden lassen. Man lachte und begann nach Leibeskräften die funkelnden Steine aus der Wand zu reißen. Einer von ihnen, der Knabe, der am vorigen Tag den Kobold gesprochen hatten, rühmte dessen Namen. Ihm war klar, dass diese Geschenk nur von den kleinen Männern kommen konnte, die dem Volk der Menschen schon immer sehr wohlgesinnt waren. Techlin erfuhr erst später davon, als es schon zu spät war. Das Erz wurde noch am gleichen Tag an die Oberfläche getragen. In großer Menge wurde es aufgehäuft und man brachte es zu den Gießenreien. Dort erlebte man dann die herbe Enttäuschung. Das geförderte Erz konnte nicht so wie die anderen Erze verflüssigt werden. So viel man auch versuchte, er blieb nur eine graue Masse übrig, die keinerlei Wert hatte. Jetzt schlug die gute Stimmung mit einmal um. Man fluchte und schimpfte und spuckte auf den Boden. Der Junge wurde gepackt. Man verlangte von ihm zu erfahren, wo man den Kobold fand, der sich allerdings schon längst zurückgezogen hatte. Sie würden ihn nicht finden, selbst wenn sie langen suchen würden. Er hatte die gesamte Mine verflucht. Keins der Erze würde seinen Schatz jetzt noch so einfach preisgeben. Die Menschen wussten das instinktiv und nannten dieses Erz nach dem Kobold und nach seiner Nickeligkeit. Sie nannten die Steine Kobalt und Nickel. Erst viel später sollten Wissenschaftler herausfinden, dass beide verzauberten Erze auf verschiedene Metalle zurückzuführen sind, die gänzlich andere Eigenschaften aufwiesen, als die Erze, die man zu finden erhofft hatte. Die beiden Metalle, die man als elementaren Reinstoff gewinnen konnte, heißen bis heute Kobalt und Nickel und sind einzig und allein auf Techlin zurückzuführen, der sie herbeizauberte. Beide Metallen haben übrigens einen gewissen Wert, weshalb sie heute extra abgebaut werden. Sie sind in Legierungen mit Eisen sehr beliebt. Das Bergwerg in Essen blieb, trotz Techlins Bemühungen hingeng erhalten. Um den kleinen Kobold abzuwehren und sich gegen sein Wirken abzusichern, baute man große Mauern und Wälle. Die Gruben wurden rund um die Uhr bewacht. Der Kobold hingegen hatte keine andere Chance als Essen den Rücken zuzuwenden. Auf der Suche nach genau dieser kam er so in Duisburg an, in dem er über hunderte Jahre gemütlich lebte.