Habt ihr manchmal auch das Problem zwischen Textarten hin und her zu wechseln?
Neben dem Buch, welches man jetzt auf Amazon findet, hat sich noch eine zweite Art der Publikation bei mir ergeben. Einer meiner Texte wurde in der Werkszeitung abgedruckt.
Es ist ein Text, in dem jeder Satz so lange geschliffen wurde, bis jeder Buchstabe bedeutungsschwangere Ausstrahlungen zeigt. Die kurze publizierte Geschichte ist dabei eigentlich nur eine Momentaufnahme einer Person.
Die genutzten Worte sind fast schon magisch.
Vielleicht spielt der ein oder andere von euch ein Instrument. Wer seine Musik halbwegs beherrscht oder von ihr beherrscht wird, kann nachvollziehen, wie virtuos ein Fremder wirklich spielt. Es bietet sich für den Geübten die Gelegenheit, über das bloße Hinhören hinaus zu bewerten.
Es gibt viele Bands, bei denen sich mein Gehirn kurzfristig verabschiedet. Ihr Spielen ist so voller Können, dass sich mein Herz zum Takt ihrer Saiten bewegt. Die Stücke dieser Musiker haben allerdings meist ein Problem, jedenfalls wenn sie wirklich gut sind: Sie sind nicht eingängig! Die Stücke will man nicht ständig hören!
Man staunt. Doch es reicht, wenn man den Virtuosen einmal zuhört, in ganz bestimmten Orten zu ganz bestimmten Zeiten. Jeden Tag möchte man ihren Werken nicht lauschen. Dazu sind diese viel zu sperrig.
Das Gleiche gilt vielleicht auch für ein Fünf-Sterne-Essen. Auch hier braucht man evtl. hinterher eine Currywurst mit einem Bier.
Mein Text, der in der Werkszeitung erschien, ist viel zu aussagekräftig. Er ist wie die beschriebene Musik. Jedenfalls behaupten es die wenigen Leute, die ihn gelesen haben.
»Dein Text ist großartig, aber wäre er nicht so kurz, er wäre mir zu anstrengend gewesen.«
Diese merkwürdige Kritik habe ich insgesamt drei Mal erhalten, von sehr unterschiedlichen Personen.
Ein kurzer Text, so ist meine Meinung, sollte genauso sein. Jedes Wort soll ein Bild sein, welches die gesamte Situation beschreibt.
Um hier einen Einblick zu erhalten möchte ich an dieser Stelle, die ersten paar Sätze zitieren:
»Die gekreuzten Beine knallten auf Holz. Einige Blätter wirbelten hinter die Tischplatte. Sie bildeten mit ihren Geschwistern einen flauschigen Teppich, der seine Füße an kalten Tagen wärmte.
Genüsslich lehnte er sich zurück, legte die Hande in den Nacken, wo sie den roten Haarkamm berührten. Die Zeit war gut zu ihm. Besser als eine Mutter zu ihrem verwöhnten Einzelkind. Heute erhielt er das Ergebnis.«
Natürlich erweckt der Text bei meinen Kollegen den Eindruck, dass ich gerne komplizierte Wortgeflechte hege, die wie die Dornenhecke von Dornröschen, den Inhalt um ein Vielfaches aufwertet. Wer weiß schon, wie Dornröschen wirklich aussah. Dass man an sie so verdammt schwer herankam, machte sie zu einer lohnenden Eroberung.
Dabei sollten die letzten Sätze, die ich hier schrieb, eine umgekehrte Wirkung erzielen. Mein Buch ist für ein jüngeres Publikum erschienen. Hier sollen die Wörter viel einfacher lesbar sein.
In meinen Leben überschlagen sich noch andere Formen des Schreibens. Es existiert dort die Mail, die einen ganz bestimmten Aufbau hat.
Zunächst gebe ich im einleitenden Satz die gesamte Essenz der Mail wieder (Wer wissen will, wie eine meiner Mails aufgebaut ist, soll seine Frage in den Kommentaren stellen – oder er analysiert kurz diesen Beitrag, der einen ähnlichen Aufbau hat).
Daneben kommen Berichte, Protokolle, Werbungen in eigener Sache etc.
Es wird viel geschrieben, doch die Stile sind völlig anders.
Daher meine Frage: Habt ihr manchmal auch das Problem euch auf den Stil einstellen zu müssen?
Das Problem mit Sprache ist, dass sie unterschiedlich benutzt und noch unterschiedlicher aufgenommen wird. Ich zum Beispiel hatte keine Schwierigkeit, deine vermeintlich „zu schwer“ gewählten Worte zu erfassen.
Und was die Einhaltung eines Schreibstils angeht, darauf haben sich vermutlich alle, die sich mit Schreiben befassen, zu konzentrieren.
Also zweifle nicht an dir 😉
Was mir allerdings auffällt ist, dass das Können, Worte in komplexeren Satzmustern sinngemäß zu erfassen, ein allmählich verloren gehendes Kulturgut zu sein scheint. Und es nervt mich, dass wir dem nichts anderes entgegen zu setzen haben als immer simplere Texte.
Schönes Wochenende
Alles ist abhängig von der Platform. Als Beispiel schrieb ich gerade parallel
1. eine Mail an alle Beteiligten, in der ich persönlich für die Arbeit danke.
2. ein Artikel für das Intranet, in dem ich die Durchführung lobe.
3. einen Abschlussbericht an den Auftraggeber.
und am Abend dann für mich allein.
Jeder dieser Texte hat ein völlig anderes Publikum und einen völlig anderen Stil.
Die Mail ist persönlich – „Ich“ wird sehr oft benutzt.
Der Bericht ist trocken und nüchtern.
Der Artikel sollte nüchtern euphorisch sein, weil es dort so gewollt ist. Negative Dinge sind auszublenden.
Komplizierte Worte lassen sich zur Blendung und zur Zierde gerne in den Bericht einstreuen. Schließlich will man mit seinen Sprachschatz angeben.
Der Artikel besteht aus einfachen Worten. Das Fremdwort oder Fachwort fällt nur gelegentlich, um den Leser aus seiner Bahn zu werfen.
Ein Jugendbuch hat ganz andere Regeln. Hier gilt es die jungen Leser nicht mit Komplexität zu quälen.
Im Blog darf man gerne mal den ein oder anderen Schlangensatz benutzen. Schließlich muss man ja aus der Menge heraus stechen.
Jeder dieser Texte hat seine Regeln. Je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir von einer Sekunde auf die nächste das Tempo und die Melodie zu verändern. 😉
Ich möchte dir widersprechen in einem Punkt: anspruchsvolle Sprache hat für mich nichts mit Blenden oder Zierde zu tun.
Jeder Text hat eine Aufgabe und eine Wirkung. Und man benötigt eben das Werkzeug Sprache für jede Textsorte anders.
Ich habe mich fast fünf Jahre lang an der Uni intensiv mit Sprache und Text auseinander gesetzt und bin immer noch der Meinung, dass ich bei weitem nicht alles kennen gelernt habe, was möglich ist. 🙂
Du bist Bob und du schreibst Bob-Texte und ich bin Rotfrau. Die Textsortenmerkmale sind nur als „Kochrezept“ zu verstehen. Die Raffinesse, also quasi die Extrawürze, gibt der Autor.
Begreife dein „Älterwerden“ bei der Umsetzung der Rezept nicht als Last, sondern als Können 😉
Bleib einfach etwas mehr gelassen und denk nicht dauernd über das sture Rezept nach. Manchmal schmeckt es nämlich besser, wenn ein bisschen mehr eigenes Süppchen drin steckt 😉
Das Problem war eher, aus Mail und Bericht kommend, einen Artikel zu schreiben…
Sowas hab ich halt eher selten. Da war das Umschalten sehr schwer, da ich mir noch mal das Rezeptbuch raussuchen musste.
Natürlich beherrsche ich den Pfannkuchen, den Käsekuchen und die Rühreier (Blog/Buch & Mail) auch ohne Rezept, auch wenn mal etwas schief geht oder vertauscht wird.
Was das Blenden angeht – es fällt schon auf, wenn manche Professoren mit Fremdwörtern um sich schlagen, nur um zu vertuschen, dass ihre Texte keinen Inhalt haben.
Das geht auch auf kleinerer Ebene. Die Psychologie hinter den Wörtern ist nicht zu verachten. Will ich verstanden werden oder absichtlich missverstanden?
Sowas ist prima umzusetzen, wenn man es kann.
Hier will ich gerne provozieren, da dies Reaktionen auslöst. Im Job eher Missgeschicke verschleiern.
Ich sehe es genau wie du. Es gibt unterschiedliche Stile mit denen man schreibt.
Hab mir bisher noch nie Gedanken darüber gemacht. Aber genau so ist es.
Ich schreibe tatsächlich immer anders. Vor allem aber schreibe ich in einem komplett anderen Stil, wenn ich einen Roman schreibe. Der unterscheidet sich doch von dem, wie ich beispielsweise hier schreibe. Was einfach auch daran liegt, dass ich wenig Zeit habe und wenn ich hier Texte verfasse, dann meist in Eile und während der Arbeit. Ich zwacke mir etwas Zeit ab, um zu schreiben. Wenn ich an meinen Roman schreibe, nehme ich mir Zeit. Konzentriere mich ausschließlich darauf und lasse mich nicht ablenken.
Hier klingelt das Telefon, oder eine Mail will beantwortet werden.
Selbst in Mails schreibe ich unterschiedlich. Je nachdem, mit wem ich es zu tun habe.
Ich fand deinen Text übrigens auch nicht so kompliziert. Es kommt wohl einfach drauf an, womit man sich die meiste Zeit befasst. Wenn man eher „leichte“ Lektüre gewohnt ist, dann kann das schon ganz anders sein.
Was ich an dem Text gelungen finde (das Eigenlob soll jetzt mal unbeachtet bleiben), ist, dass die wenigen Worte bei mir ein klares Bild erzeugen. Man sieht den Typen. Man könnte sich darüber unterhalten, wie er genau aussieht, welche Haarfarbe er hat, ob er Ohrringe trägt, welche Klamotten er anhat – obwohl der Text dies nicht beschreibt, habe ich ein Bild vor den Augen. Ich hoffe, dass dies auch bei anderen Leser der Fall ist.
Das macht eine gelungene Beschreibung aus. Diese war allerdings nur durch einen Kampf gegen jedes Wort zu erreichen. Dazu fehlt meistens die Zeit und die Kraft…
Ich merke dann immer, wie es mich einschränkt. Daher feile ich weniger und wenn dann erst am Ende, wenn alles fertig ist. Dann lasse ich nur noch die guten Worte stehen 😉
Mach ich bei einem Buch auch so. Eine Kurzgeschichte hat allerdings ganz andere Regeln, wobei wir wieder beim Thema des Beitrags sind. 😉
Ich würde bei einem Buch niemals so viel feilen – das ist dann wohl auch mein Problem. Andere haben da mehr Kraft und mehr Muße. Das liest sich dann auch gleich ganz anders. Allerdings ist es auch mal eine großartige Sache zu feilen. Dabei lernt man viel, auch über seine Fehler.
Schreibst Du mit Paprus Author? Das bringt einem noch viel mehr bei, wenn man sich darauf einlässt.
Jetzt musste ich echt er mal das Internet befragen, was das ist 😉
Also, nein. Ich schreibe einfach so. Durchaus nicht mehr mit der Hand in dem Sinn, dass ich einen Stift benutze. Ich ziehe die Tastatur doch vor.
Das ist eins der besten Schreibprogramme die ich kenne – mit integriertem Duden und Stil-Analyse. Total geniales Ding – es ist als hätte man einen Lektor neben sich sitzen.