Herr Paul lächelte immer noch. Er sagte: »Ich würde gerne von ihnen wissen, wo ihre Partnerin ist.«
Wie ein Mantra sagte ich: »Nicht meine Partnerin. Nur eine Bekannte.«
»Ich will wissen, wo ihre Komplizin ist.«
»Jetzt wollen sie auf einmal? Sie wissen doch: Kinder die was wollen…«
»Wo ist sie?«
Jedes seiner drei Worte hatte eine Spitze, die sich in mein Fleisch bohren sollte. Anscheinend versuchte er es mit dem ›böse Bulle‹-Trick. Irgendwie verpuffte der Effekt allerdings, wenn man sich den kleinen Otter vor mir genau ansah. Wie konnte so ein glitschiges Exemplar Angst erzeugen?
Ich sagte: »Da sie weder Komplizin noch Partnerin ist, sieht sie keine Notwendigkeit mir zu sagen, wohin sie geht. Ich kann ihnen allerdings versichern, dass selbst ihre Familie nach ihr sucht. Wenn die sie nicht finden, wird es wohl niemand schaffen.«
»Wo haben sie sie das letzte Mal gesehen?«
»Auf dem Marktplatz, auf dem sie gerade diesem dunklen Typen unterlag. Es sah nicht gut für sie aus.«
»Man hat sie umgebracht?«
»Das wird wohl schwer möglich sein. Sie ist unsterblich. Ich übrigens auch. Wenn sie wollen, kann ich das auch beweisen. Sie müssten nur ihre Waffe ziehen und versuchen mich zu erschießen.«
»Sie sind total wahnsinnig. Sind das alles nur Spielchen für sie? War es nur ein perverses Abenteuer, was sie bestehen wollten?«
»Sicherlich hab ich ab und zu auch Gewaltphantasien. Jedoch lebe ich diese grundsätzlich nicht aus. Wie ich schon oft genug gesagt habe, so haben Winter und ich weder Bomben gebaut noch sie gelegt. Wir sind selbst Opfer.«
»Opfer sehen in der Regel anders aus.«
»Ich kann nicht beurteilen, wie ich aussehe, aber wenn sie mich sehen, dann sehen sie ein Opfer. Selbst Jugendliche auf der Straße bezeichnen mich so.«
Ich machte eine theatralische Pause und fügte dann hinzu: »Jetzt würde ich gerne meinen Verteidiger kennenlernen. Es muss doch hier irgendwo einen geben.«
Herr Paul verdrehte die Augen und sagte: »Wir bringen sie jetzt in die Großstadt. Dort gibt es ein tolles Plätzchen ganz für sie alleine. Und am Nachmittag wird man ihnen dann ihren Verteidiger vorstellen.«
Ich nickte und lehnte mich zurück.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.