Jeder Knochen und jeder Muskel schmerzten. Mühsam öffnete ich die Augen und musste sie sofort wieder schließen. Helles Licht umgab mich.
Die Kälte war mir in die Knochen gefahren. Mein Mund war voller Schnee und meine Kleidung war durchnässt.
Die Kraft schien erst langsam wieder zurück zu sickern, wie das Wasser ein Bot durch ein kleines Loch füllt. Die Schmerzen blieben mir, wie die Ruinen einer vor Jahrtausend verlassenen Stadt in der Wüste.
Sehr langsam zog ich meine Arme unter meinem Körper weg und versuchte mich aufzurichten.
Zweimal rutschten meine Hände aus und ich landete im Schnee.
Ich blinzelte die Helligkeit weg.
Der Marktplatz war verlassen.
Wahrscheinlich war ich ein paar Minuten ohnmächtig gewesen.
Sowas war mir noch nie passiert. Eigentlich kenne ich das gar nicht. Selbst wenn ich zu viel getrunken hatte – bisher gab es noch keine Lücken, an die ich mich nicht erinnern konnte. Blöderweise erinnerte ich mich immer sehr gut an den Blödsinn, den ich unter Alkohol verzapft hatte.
Keine Krankheit hatte mich bisher so geschwächt, dass ich nicht mehr wusste, was um mich passierte.
Die Sonne stand am Horizont. Nur der Schnee erinnerte daran, was hier passiert war. Meine Beine waren wie Gummi und ich kam nur wankend zum Stehen.
Winter war verschwunden. Meine Angreiferin und der Dunkle waren ebenfalls gegangen.
Auf der anderen Seite sah ich das zerstörte Ladenfenster. Aus der Tür des Ladens strömten Polizisten auf den Platz.
Ich sollte mich spurten und hier verschwinden, bevor ich merkwürdige Fragen beantworten musste.
Jeder Schritt tat mir weh.
Langsam ging ich in eine Seitengasse und lehnte mich an die Wand.
Hinter mir erklang ein Ruf. Ein Polizist war auf mich aufmerksam geworden. Wahrscheinlich suchten sie nach Zeugen für die außergewöhnlichen Vorkommnisse.
Meine Lust auf Aussagen ware allerdings nicht verflogen. Außerdem wusste ich sowieso nicht, ob ich sprechen konnte. Mein Gesicht fühlte sich so an, als hätte ein Pferd es mit den Hinterläufen zerschmettert.
Wo war Winter, wenn man sie braucht?
Vielleicht war sie in ihrer Wohnung? So schnell ich konnte, verließ ich die Gasse. Jeder Schritt ließ mich sicherer und schneller werden.
Ich musste zum Unterschlupf kommen und schauen, ob Winter dort hinkam.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

6 Gedanken zu „Niederlage“

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