Ich rannte den Flur entlang, bis ich die Abteilung für Damenunterbekleidung betrat. Das altbekannte beklemmende Gefühl fuhr durch meinen Körper, wie der eisige Geist eines längst Verstorbenen, sodass sich meine Nackenhaare auftürmten. Es war das gleiche Gefühl, welches ich auch jedes mal in Reformhäusern und Bioläden bekomme. Eine Stimme schien zu flüstern: »Hier hast Du nichts zu suchen, Fremder. Verschwinde für immer.«
Meine Knie wurden weich und mein Gesicht brannte. Das Versteck wäre für Winter sicherlich besser geeignet. Schnell duckte ich mich hinter einem Ständer mit BHs.
Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, dass mich eine junge Kundin dabei neugierig beobachtete. Sie hatte gerade eine Unterhose in der Hand, die der Stand von dem sie sie genommen hat, als ›Pagenschlüpfer‹ kennzeichnete.
Verlegen winkte ich ihr hinter meinem Versteck zu. Sollte ich vorher noch irgendeinen hellen Fleck im Gesicht gehabt haben, so war dieser jetzt wahrscheinlich wie der Rest tomatenrot.
Dann knallten laute Schüsse aus dem Eingangsbereich. Fast augenblicklich hechtete die Kundin zu mir zu den BHs in Übergrößen.
Sie flüsterte: »Was ist denn da los?«
Ich zuckte mit den Achseln und sagte: »Wahrscheinlich eine schief gelaufene Reklamation. Sie wissen ja, wie so etwas läuft. Auf jeden Fall möchte ich mich bei diesem Verkaufsgespräch nicht einmischen.«
Die Kundin lehnte sich aus dem Versteck und blinzelte in die Richtung, aus der die Schüsse kamen. Schnell drehte sie sich wieder um und sah mich völlig verängstigt an.
Sie sagte: »Kennen sie die Frau mit der Pistole?«
»Bisher wollte sie sich mir nicht vorstellen. Dabei bin ich nur wegen ihr hier.«
»Sie wollten für dieses Frau Unterwäsche kaufen?«
»Nein, ich wollte wissen, warum sie mich unbedingt töten möchte.«
Die junge Frau neben mir stöhnte leise. Dann sagte sie: »Die Frau ist wegen ihnen hier?«
»Wahrscheinlich hegt sie ebenfalls einen Groll gegen meine Begleitung. Die ist allerdings in Richtung Herrenabteilung unterwegs.«
Irgendwie war ich erleichtert, dass die Dame neben mir jetzt keinen Grund mehr hatte, mich als Unterwäschen-Fetischist zu betrachten. Sie drehte sich erneut um und blinzelte in dir Richtung der Angreiferin. Plötzlich schrie sie spitz auf und drehte sich schnell zu mir.
»Sie kommt auf uns zu!«
Mir wurde blitzartig bewusst, dass ich die Frau neben mir in Gefahr brachte. Sie hatte nicht genau erkennen können, in welche Figur Winter sich verwandelt hatte. Außerdem hätte Winter ihr Aussehen jederzeit neu anpassen können.
Schnell sprang ich auf und schritt in den Gang. Vielleicht konnte ich meine Gegnerin lang genug aufhalten, bis die Polizei da war.

3 Gedanken zu „In der Fremde“
Kommentare sind geschlossen.
Sehr verwirrend… ist diese Frau Winter?
Ne, nur eine Kundin. Winter kauft ihre Unterwäsche nicht bei Zara oder H&M – du weißt schon: den Läden in den man gleichgeschalete Massenwahre für Individuelle bekommt (hatte ich gestern). Das wäre unter ihrem Niveau.
Und dann noch Pagen-Schlüpfer!
Ist sie etwa Bridget Jones?
Lass sie das bloß nicht hören. Die würde abgehen… 😉
Kchkchkch… 😀