Sommer ließ sich in die Couch sinken und sagte: »Ich gehe nicht noch einmal zu diesem Drachen. Sie geht immer so herablassend mit uns um. Als wären wir nicht würdig in ihrer Nähe zu sein.«
Ich sagte: »Johannes soll nicht sterben. Bitte geh hin und rede Deiner Tante das aus.«
Sommer sagte: »Du kannst doch selbst hingehen und ihr das ausreden.«
Den Kopf schüttelnd sagte ich: »Wird sie denn auf mich hören?«
Sommer sagte: »Du wirst noch nicht einmal zu ihr gelassen werden. Sie hat es nicht so mit Sterblichen, nachdem die immer mit ihr verhandeln wollen. Im alten Griechenland fand sie das noch sehr unterhaltsam. Nach Odysseus hat sie allerdings ihre Meinung geändert.«
Das Telefon klingelte erneut.
Ich stand direkt daneben und nahm ab, bevor Sommer in Bewegung kam.
Am anderen Ende meldete sich Winter. Sie sagte: »Hallo Bob. Schön Dich wieder bei uns zu haben. Ohne Dich hätten wir gar kein Tierchen, das wir dressieren könnten.«
Ich sagte: »Freut mich auch Dich zu sprechen. Du willst bestimmt Deinen Bruder sprechen?«
Winter sagte: »Von Wollen kann keine Rede sein. Der Typ nervt mehr, als ein verrotteter Zahn.«
Sommer verdrehte die Augen und sagte sehr leise: »Ich gehe nicht«. Dabei fuchtelte er mit dem Zeigefinger durch die Luft.
Ich hielt Sommer den Hörer hin und wartete. Sommer führte sich immer noch so auf, als müsse er sich Wasser aus den Locken schütteln.
Immer wieder formten seine Lippen das Wort: »Nein.«
Ich nahm den Hörer zurück an mein Ohr und sagte: »Er will nicht mit Dir sprechen.«
Winter sagte: »Sag ihm, dass ich persönlich vorbei kommen werde um ihm in den Allerwertesten zu treten, wenn er diesen nicht sofort zu seiner Tante bewegt.«
Ich sagte: »Warum gehst Du nicht selbst?«
Winter blies die Luft aus und sagte: »Das ist nicht meins. Sommer hat es angestellt und soll es auch ausbaden.«
Ich sagte: »Du willst nicht?«
Winter sagte: »Kann man so sagen.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

2 Gedanken zu „Unwürdig“
  1. Liebender Bob
    Nachdem ich keine Seifenopern vertrage
    Und doch schon zwei Ehen erfahren durfte
    Bin ich verblüfft und erstaunt wie die
    Herrschaften Jahreszeiten durchaus gewisse
    Ähnlichkeiten damit aufweisen …
    Also ich würde
    dankend
    Dir Joaquim von Herzen

    1. Hallo Hans Joachim,
      Du bist sehr schwierig zu erfreuen, möchte ich anmerken. Schließlich warst Du der Grund, weshalb ich überhaupt eine Liebesgeschichte geschrieben habe. Dass das nicht ohne Seifenoper abläuft, ist dem Genre geschuldet. Das Krimi Genre hattest Du ja schon vorher als „nicht Deins“ bezeichnet.
      Gib mir bitte mal einen Tipp, was ich mit Herbst machen soll. Bisher fällt mir noch nichts ein.
      Leider muss ich Dir auch gestehen, dass ich hier einige Unterhaltungen (auf Neudeutsch:) „gecovert“ habe. Ein guter Freund verliert beim Umgang mit dem anderen Geschlecht meist sämtliches angeborenes Taktgefühl, was die Gespräche von außen sehr amüsant werden lässt. Ich mag ihn trotzdem sehr.
      Hoffentlich kann ich Dir bei Herbst endlich gefallen. Schließlich schreibt ein Schriftsteller, selbst wenn er nur Amateur ist, ein Bisschen auch für sein Publikum.
      Gruß,
      Sebastian

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