Boris verschwand früher, um seinen Platz in der Küche einzunehmen. Anja war nicht zu sehen. Was auch immer sie ausheckte, sie brauchte dazu anscheinend ihre Einsamkeit.
Während ich auf das abendliche Singen wartete, fühlte sich mein Körper federleicht an. Das Gespräch mit Julia war wie eine Droge. Mein Herz schlug so laut, wie die Bassdrum bei einem Trash Metal Konzert. Es war kurz davor, aus meinem Brustkorb zu springen.
Sie würde gleich zum Singen kommen. Die Sekunden welkten langsam dahin.
Bei der Gebetsrunde am Abend drehten sich meine Gedanken im Kreis. Die Lieder sang ich lauter mit, als an den anderen Tagen.
Boris sah zu mir hinüber und nickte. Ich nickte euphorisch zurück.
Beim Verlassen des Raums, am Ende der Stunde, hielt mich Anja zurück. Sie sah mir ins Gesicht. »Was soll den das blöde Grinsen?«
»Julia wird uns heute Nacht begleiten.« Eine Warnlampe brannte in meinem Kopf. Ich sagte: »Ich habe die Geschichte um das Gold leicht verändert. Könntest Du ihr bitte einfach zustimmen? Es wäre etwas zu viel, ihr direkt von dem UFO zu erzählen.«
»Das fliegende Objekt ist sowieso ein völlig blödsinniges Märchen. Wer weiß, wofür Boris das Gold wirklich braucht.«
»Ich hab Julia erzählt, dass er es für seine Familie benötigt.«
Anja blickte mir lange ins Gesicht. »Wir gehen heute Nacht?«
»Hat Dir Boris nichts davon erzählt?«
»Er hatte noch keine Zeit dazu.«
Boris kam gerade zu uns. »Hast Du Anja schon Bescheid gesagt?«
»Ich dachte, Du hättest das gemacht.«
»Er war viel zu viel damit beschäftig, Julia zu belästigen.«, sagte Anja und kreuzte ihre Arme vor dem Körper.
Boris lachte. »Jetzt weißt Du es ja. Bleibt nur die Frage, ob Du dabei bist.«
»Natürlich bin ich dabei. Das lasse ich mir nicht nehmen. Wann treffen wir uns?«
»Heute um Mitternacht.«
Anja nickte. »Wir sehen uns dann.«
»Daniel und Jörg sind auch dabei. Heiko hat zu viel Angst.«
»Julia wird uns auch begleiten.«
Anja drehte sich zu mir. »Das ist auf jeden Fall ein Fehler. Sie wird uns verraten.«
»Das wird sie nicht. Ich vertraue ihr.«
Boris schritt zwischen uns. »Was ist mit den anderen Mädchen?«
Anja schüttelte den Kopf. »Das ist so, als würde man Wasser zur Aufbewahrung in ein Sieb gießen. Es wäre eine völlig blödsinnige Idee. Die zwei Anderen sind so brav, dass selbst der Papst im Vergleich zu ihnen wie ein Playboy wirkt.«
Boris nickte. »Sechs Personen dürften reichen.«
»Nimmst Du uns dann anschließend alle mit Deinem Raumschiff mit?« Die Frage war mir herausgerutscht, bevor ich darüber nachgedacht hatte.
Boris sah mich an und dann an die Decke. »Wenn die Leute mitkommen wollen, können sie das gerne machen. Ich muss jetzt dringend Vorbereitungen treffen.«
Er drehte sich um und rannte zum Treppenhaus. Wir hörten noch, wie ihm Herr Berkowitz hinterherrief: »Das Rennen auf den Fluren ist verboten.«
Ich lachte laut auf. »Er hat es echt eilig.«
Anja schüttelte den Kopf und sagte: »Ich möchte nur wissen, warum.«

Ein Gedanke zu „Abendunterhaltung“
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Tolle Beitraege.
Liebe Gruesse
Monika