Im Auto fragte ich Winter, ob sie eine Idee hatte, wer diese Blonde sei. Frustriert schüttelte sie den Kopf.
Sie sagte: »Blondchen war viel zu nahe an der Explosion. Sie zeigte damit, dass sie keine Angst vor den Folgen hat. Außerdem hat sie sich bewegt, wie ein überirdisches Wesen. Sie ist allerdings keine von uns, sonst müsste ich sie kennen.«
»Und wenn sie neu ist?«
»Dafür war sie zu gut. Man braucht schon ein bisschen Übung. Nimm Dich als Beispiel. Du bewegst Dich immer noch so, als hättest Du Dein Elefant-Dasein nie aufgegeben.«
»Was soll das heißen?«
»War nur eine Feststellung. Jedenfalls ist sie gut und hat keine Angst.«
»Kann ja immer noch sein, dass wir es hier mit einem normalen allerdings verdammt gut trainierten Menschen zu tun haben.«
»Glaub ich nicht.«
»Wenn sie eine Erlaubnis von Deiner Tante besitzt, länger als üblich zu leben, dann müssen wir doch dort erfahren, wer sie ist.«
Winter schüttelte den Kopf und sagte: »Ich sprech nicht mit Tante. Sie ist viel zu überheblich und hat einen merkwürdigen Sinn für Humor.«
»Das kann ich nur bestätigen. Sie könnte uns hier allerdings helfen. Wie wäre es, wenn Du sie kurz anrufst und fragst? Dann bleibt Dir ein Besuch erspart.«
In dem Mantel nach ihrem Handy suchend sagte Winter: »Ich mach das wirklich nicht gerne. Aber Du hast recht, es wäre eine Möglichkeit.«
Sie tippte ein paar Zahlen ins Telefon und wartete. Ich sagte: »Ist schon merkwürdig mit Tod zu telefonieren. Bei einigen Anrufen beschleicht mich zwar auch das Gefühl, dass das Gegenüber scheintot oder zumindest hirntot sei, allerdings kannst nur Du Dir sicher sein, dass Deine Gesprächspartnerin Tod ist.«
Winter lächelte abwertend und wartete, bis das Tuten aufhörte. Sie sagte: »Hallo Tante.«
Ich konnte die Stimme am anderen Ende nicht verstehen. Es entwickelte sich ein Dialog, in dem Winter ihre Tante einige Fragen stellte. Diese antwortete immer einsilbrig. Aus den Fragen konnte ich nicht direkt schließen, worüber sie sprachen. Es war mir, als würden sie einen Code haben, damit man nicht merkt, worüber sie sprachen.
Ich konzentrierte mich auf den Verkehr und lenkte das Auto zurück zum Krankenhaus. Neben mir nahm Winter das Ohr vom Hörer und wirkte frustriert.
Sie sagte: »In den letzten Jahrhunderten hat meine Tante niemand außer Dich auf die Liste gesetzt. Früher passierte das noch regelmäßiger, weil die Leute an Magie glaubten und einige sie sogar praktizieren konnten. Die alten Bücher sind allerdings alle verschwunden. Daran ist meine Tante schuld.«
»Du meinst, diese blonde Dame könnte eine Hexe sein?«
»Oder sie ist mit einer Hexe oder einem Zauberer befreundet. Eigentlich egal, aber das ist die einzige Möglichkeit.«
Winter blickte durch die Frontscheibe und sagte: »Wo fahren wir eigentlich hin?«
»Ich dachte, wir machen noch einen kurzen Abstecher zu meinem Freund. Vielleicht ist ihm auf dem Marktplatz noch irgendetwas aufgefallen, was uns entgangen ist.«
»Warum hast Du nicht gestern Abend schon danach gefragt?«
»Keine Lust.«
»Immer das Gleiche mit Dir.«

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.