»Gibt es keine wichtigeren Themen, außer unseren Körpern?« Herbst klang entnervt. Anscheinend sah er keinerlei Probleme darin, dass wir keine deutlichen Umrisse zeigten. Als ich kurz darüber nachdachte, musste ich ihm recht geben.
Ich sagte: »Gibt es einen Weg nach draußen?«
Unsere Helferin sah stirnrunzelnd zu mir, auch wenn ich in diesem Fall nicht vorhanden war. Sie sagte: »Was ist draußen?«
»Ich meine, gibt es einen Weg aus dem System?«
»Tut mir leid, ich kann diese Frage nicht beantworten. Sicherlich kann man eure Programme löschen, dann sind sie nicht mehr da – das scheint mir allerdings etwas endgültig und weniger erstrebenswert.«
»Der Tod ist für alle Menschen ziemlich endgültig, auch wenn einige etwas anderes behaupten. Das meinte ich allerdings nicht. Ich meinte: Wie verlässt man diese Umgebung?«
»Das sind wir – unser Betriebssystem! Was sollte es anderes geben?«
Herbst sagte: »Es gibt doch auch das Internet. Das hat doch ein anderes Betriebssystem.«
Es war etwas schwierig, ohne Augen mit eben diesen zu rollen, und der Versuch machte mich schwindelig. Ich sagte: »Das Internet hat kein Betriebssystem. Im Grunde sind Browser so etwas wie Übersetzer eines geschriebenen Textes. Sie holen die Seiten, die auf anderen Rechnern und Festplatten abgelegt sind und bilden sie ab. Das Internet brauch kein OS, nur eine einheitliche Sprache.
Deshalb ist die Idee von einer KI im Internet auch so abwegig – wenn ich jetzt darüber nachdenke. Was auch immer Du jagst, lebt irgendwo anders.«
Uhura wirkte immer verwirrter. Ich versuchte, Beruhigung in meine Stimme zu legen, was mir nicht gelang, denn ich hatte momentan keine Stimmbänder.
»Du weißt bestimmt, dass es noch andere Betriebssysteme gibt. Gibt es einen Weg, zu diesen zu gelangen?«
»Es gibt andere Betriebssysteme?« Sie blickte mich kurz neugierig an, zuckte dann aber mit den Achseln.
Resigniert sagte ich: »Bis uns eine andere Idee kommt – könntest Du uns bitte in die Entwicklungsumgebung bringen?«
Ganz plötzlich standen wir in einer Art Sanitärraum. Die Wände waren gekachelt. Allerdings fehlten die Waschgelegenheiten und die Toiletten. Dafür war an einer Seite ein riesiger Sandkasten im Boden eingelassen.

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.