Herbst sagt, dass er es nicht verstehen könnte, wie wir in einem Land leben können, das einem so wenig Service und so Bequemlichkeit liefert.
Ich sage ihm: “Schon wieder das gleiche Thema? Service-Wüste Deutschland – erneut die alte Kamelle?”
Er sagte: “Nein viel schlimmer. Hier geht es nicht darum, dass eine Kassiererin mal weniger gute Laune hat. Hier geht es ums Ganze.”
Ich sagte: “Doch schon wieder so schlimm?”
Er sagte: “Und ob!
Vor ein paar Jahrzehnten standen an jeder Kasse ein Einpacker, der nur dafür zuständig war, die eingekauften Dinge in Plastiksäcke zu verstauen und sie anschließend evtl sogar zum Auto zu tragen. An den Tankstellen standen Menschen, die für einen Tankten und das Geld direkt am Auto entgegen nahmen.
Kein Techniker fuhr seinen Wagen alleine – er wurde gefahren. Überall waren Helfer. Die wurden alle entlassen und an die Luft gesetzt.
Jetzt lebt ihr in einer Zeit, in der ihr euch schon rechtfertigen müssten, wenn ihr vor dem Erscheinen der Krankenschwester, nach Drücken des Notrufes,nicht schon gestorben seid.
In den Geschäften kann man es den Kassierern nachsehen, dass sie keine gute Laune haben. Sie sind gestresst, weil man die Stellen systematisch eingestrichen hat.
Auf dem Amt bearbeitet ein Beamter jetzt 50 Anträge, anstelle von 20, die er vielleicht noch schaffen würde. Im Moment stehen die Beamten sowieso an der Grenze und begrüßen die Flüchtlinge.
Überall spürt ihr, dass ihr es nicht schafft, weil euch die Arbeit über den Kopf wächst. Das tolle daran – ihr tut nichts dagegen.”
Ich sagte: “Was soll ich machen? Die Arbeit verweigern?”
Herbst sagte: “Ist wohl doch keine gute Idee. Aber ihr könnten schon etwas machen.
Wenn ihr von jemanden bedient werdet, dann seid dankbar darüber. Scheut euch nicht Trinkgeld zu geben. Es muss euch nicht peinlich sein, wenn irgend jemand eure Frontscheibe wischt. Ihr müsst nicht abwinken, wenn in einem Geschäft eure Taschen für euch gefüllt werden. So wie ich Dich kenne, wirst Du bei solchen Sachen doch direkt rot.”
Ich sagte: “Vielleicht kennen wir uns schon zu lange.”

Von SackingBob74

1974 in Dorsten geboren, entdeckte man früh das fehlende sportliche Talent des Autors. Über Jahre erlernte er mühsam das Lesen und Schreiben, wobei er mit dem Letzteren immer seine Probleme hatte. Die Lehrer bescheinigten ihm ein hohes Maß an Fantasie und Flexibilität in der Rechtschreibung. Aus den oberen Gründen stand ihm lediglich der Zweig der Naturwissenschaften offen. Sein Werdegang wurde 2008 an Halloween mit einer Promotion in Chemie belohnt. Sein erstes Buch »Niedermolekulare Co-Kristallisation« erwies sich als Ladenhüter (Essener Uni-Bibliothek, wird wahrscheinlich z.Z. im unzugänglichen Keller aufbewahrt). Um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, beschloss der Autor, das Genre zu wechseln. Seit ein paar Jahren veröffentlicht er in seinem Blog >SackingBob74.de< Geschichten über sich und die personalisierten Jahreszeiten. Er lebt mit seiner Familie in Gladbeck.

Ein Gedanke zu „Hallo Service?“
  1. Das mit dem Trinkgeld ist eine gute Sache – tut dem andern gut und hebt die eigene Laune.
    Schönen Sonntag wünscht Dir
    Barbara
    und weiterhin so anregende Gespräche mit Herbst 😉

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